Poetisch-musikalische Naturgewalt

Zum letzten Mal machte Stiller Has auf seiner Abschiedstournee Halt im Alte Schlachthuus in Laufen. Mit grandioser Performance und Bühnenpräsenz riss Endo Anaconda das Publikum zu stehenden Ovationen hin.

Zwischen stillen Tönen und Schreien: Endo Anaconda als genialer Performer. Foto: Thomas Brunnschweiler
Zwischen stillen Tönen und Schreien: Endo Anaconda als genialer Performer. Foto: Thomas Brunnschweiler

Das Alte Schlachthuus war ausverkauft und gerammelt voll. Roman Wyss spielte mit majestätischen Klavierakkorden das Intro zu «Pirat», als Endo Anaconda unter Riesenapplaus die Bühne betrat und mit «Binere Nordmeerfahrt/Han i myni Hand verlore…» das bittersüsse Lied begann. Der 66-Jährige stammt aus einer schweizerisch-österreichischen Ehe und ist nicht nur Singer-Songwriter und Schriftsteller, sondern auch ein alter, weiser, seinen Bart streichelnder Mann mit der Power der jungen Patty Smith, eine sensible Rampensau. Das Vitale, Rebellische und Subversive ist ihm auch auf dem 12. Studioalbum von Stiller Has geblieben, stimmlich, sinnig und sinnlich gereift, noch subtiler als zuvor. Selbst die alte Tante aus Zürich, die «Neue Zürcher Zeitung», musste zugeben: «Endo Anaconda beschreibt und besingt die Befindlichkeit in der Schweiz wie niemand sonst.»

Corona, Klimajugend, Kapitalismuskritik

Getragen wurde Endo von seiner erstklassigen Band. Bluesiges, Rockiges, Tango oder Westernstyle wechselten sich ab. Als ruhender Pol am Keyboard spielte Roman Wyss Klavier und Orgel. Boris Klečić brillierte an seinen Gitarren und am Banjo. Bruno Dietrich wirbelte auf Schlagzeug und Percussion den Rhythmus oder wirkte auf der Handorgel bei ruhigen Balladen mit. Über Corona ­plauderte Endo, ohne den Humor zu ­verlieren. Fast nur Büchsenfutter hab’s gegeben und dazu stapelweise Toilettenpapier. Selbst seinem Morgenstuhlgang habe er einen Namen gegeben: «Toni». «Ha im ‹Oltner Tagblatt› usgseh, als wär i grad usem Senioreheim gflüchtet», spottete er über sich selbst. Früher sei nicht alles besser, aber auch nicht alles schlechter gewesen. Was früher LSD war, sei heute LED und Weihnachtsbeleuchtung bis Ostern. Heute gebe es nicht mehr «Black Afghan», sondern den «Black Friday — Grömpu, wo kei Sou brucht». Und immer wieder dazwischen «Dancke ­Ricola!» Im Lied «Früecher» kritisierte Endo das brutale «Früecher, wo jetz neume andersch» ist. In «Chräie» stellte er sich fatalistisch dem Schicksal, dass die Krähen immer nur auf sein Auto scheissen. Er trauerte um die in den Süden verzogene Liebe, sang zu einem Tango: «Wie gang i um mit de Balkongranium… mit em Universum.» Und der erste Teil ist um.

Zwei Seelen in seiner Brust

Nach der Pause sang Anaconda «St. Veit». Es geht um die zwei Herzen und Seelen in seiner Brust, und er sang auf Österreichisch: «Und weil i nirgends daham bin/Fahr i nach St. Veit an der Glan.» —Melancholie, Sehnsucht und Heimweh mischen sich. Nach einer Hommage auf Wallisellen und Luzern folgte ein Song über die unheile Schweiz und ihre grotesken Seiten: «Es git nüt Lächerlichers als e Lamborghini im Stau.» Auch im nächsten Lied erschien die Schweiz als Land der Gartenzwerge: «Adios Schneewittli, i has gsee.» Nach einem launischen Vergleich zwischen alten, weissen Männern und jungen, urbanen Frauen erklang «Piccolina pippistrella, dini Sunne isch dr Mond» mit fetzigen Skat-Einlagen, einem lautmalerischen freien Gesang. Bis zum Schluss steigerte sich die Band noch. In der zweiten Zugabe haute Endo die CS in die Pfanne: «Es isch alles nu e Flopp.» Stehender Applaus. Heitere Fahne, isch das ärdeguet gsi!

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