Geschichten aus der Beziehung Mensch-Kuh

In Rodersdorf geht der Strengenhof auf die steigende Nachfrage nach einem Lebensplatz für Kühe ein.

Auf dem Lebenshof: Cornelia Schaad mit dem elfjähriges Goldi. Foto: Bea Asper
Auf dem Lebenshof: Cornelia Schaad mit dem elfjähriges Goldi. Foto: Bea Asper

Wenn die Besitzerin mit ihrer Kuh, der sie das Leben rettete, einen Spaziergang unternimmt, sorgt sie in Rodersdorf für Aufsehen. Cornelia Schaad erklärt: «Kühe sind sehr gelehrig, sie sind neugierig, verspielt und haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten. Ihr Wesen ist Balsam für die menschliche Seele. Für mich war immer klar, dass ich einen Beruf mit Tieren erlernen werde», sagt die heutige Betreiberin des Strengenhofs in Rodersdorf. Ihr Steckenpferd ist die Ausbildung von Pferd und Reiter, doch mit der Idee, auch Kühe in Pension zu nehmen, ging für sie ein Traum in Erfüllung. Möglich wurde dies durch einen Generationenwechsel. Ihr Mann, Adrian Schaad, übernahm den Betrieb von seinen Eltern und gemeinsam entwickelte das junge Paar für den 50 Hektare grossen Betrieb ein Konzept, bei dem die Kuh nicht unter Leistungsdruck gestellt wird und ihre Lebenszeit nicht von kurzer Dauer ist.

«Es zeichnete sich eine Nachfrage nach einem weiteren Lebenshof in der Schweiz ab. Die Villa KUHnterbunt im Baselbiet platzte aus allen Nähten. Immer mehr Menschen, die eine Freundschaft zu einer Kuh entwickeln oder einem sogenannten Nutztier das Leben retten, sind auf der Suche nach einem guten Plätzchen», erzählt Cornelia Schaad. Mittlerweile zählt ihre bunte Kuh-Herde 35 Tiere, 15 davon sind Ochsen, die sich untereinander bestens verstehen. Die Tiere hören auf ihren Namen und sind handzahm. Chef ist Goldi, ein elfjähriges Braunvieh, knapp zwei Meter Stockmass. Ohne seine Retterin hätte er als Kalbfleisch geendet. Goldi bringt nun 1,6 Tonnen auf die Waage, doch für seine Besitzerin zählt nicht seine Fleischmenge, sondern sein grosses Herz.

Ein Lebenshof sei mehr als ein Betriebszweig, es sei eine Philosophe: «Die Tiere, die von neuen Besitzern vor dem Schlachthof gerettet werden, erhalten stellvertretend für ihre Artgenossen ein Gesicht. Sie dürfen ihren Naturinstinkten folgen anstatt zu mehr Leistung getrieben zu werden », betont Cornelia Schaad. Jede Kuh hier erzählt ihre Geschichte. «Die Kühe hier werben um Achtung, Verständnis und Sympathie für ihre Gattung», so Schaad. Dabei steht immer auch die Beziehung Mensch-Tier im Vordergrund. Die Kühe erhalten Aufmerksamkeit, Streicheleinheiten, Sozialkontakt und einige dürfen mit ihren Besitzern auf Erkundungstour gehen. «Nadin, zum Beispiel, erzählt die Geschichte einer der vielen Milchkühe, die trotz täglichem Milchabliefern im zarten Alter von fünf Jahren zum Metzger sollen, weil die Leistung nachgibt oder sie nach der Geburt eines Kalbs nicht sofort wieder trächtig werden», berichtet Schaad. «Nadin hatte das Glück, dass ein Nachbar des Bauern an der Kuh den Narren gefressen hat, denn sie kam oft an seinem Garten vorbei und interessierte sich für seine Äpfel», führt Schaad aus. Seither kommt der Retter für Nadins Unterhalt auf dem Lebenshof in Rodersdorf auf.

Der Strengenhof sei nach wie vor ein produzierender Betrieb im Bereich Ackerbau, erwähnt Schaad. Doch achte sie darauf, dass die Weidefläche für die Tiere für die Nahrungsaufnahme gross genug seien. In der Landwirtschaftsbranche ringe man mit dem Verständnis für Lebenshöfe, weiss die Bauerntochter. «Diese Anerkennung ist für mich aber kein Kriterium. Mein Motto lautet: Leben und leben lassen.»

Der Strengenhof lädt regelmässig zu einem öffentlichen Besuchstag ein. Beim letzten Mal gab es zum Essen veganes Raclette. Aus Überzeugung werde auf tierische Produkte verzichtet, erklärt Cornelia Schaad. Das nächste öffentliche Hoffest findet am 8. Oktober von 11 bis 17 Uhr statt (Anmeldung erforderlich).

Lebenshöfe und ihre Arbeit werden von der Stiftung «Pro Tier» unterstützt. Sie seien Schulungszentren für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, schreibt «Pro Tier — Stiftung für Tierschutz und Ethik». In der direkten Begegnung entdecken die Besucherinnen und Besucher das natürliche Verhalten der Tiere. Sie erfahren mehr über ihre Bedürfnisse und sehen, «wie sensibel, einfühlsam, aufgeweckt und intelligent Kühe sind, wenn sie frei von Nutzung leben dürfen», hält die Stiftung fest.

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