Für die Demokratie braucht es alle
Damit Frauen über sich selbst bestimmen können, müssen sie auch ihre politischen Pflichten erfüllen. Nur so funktioniert Demokratie.

Elisabeth Glaser ist überzeugte Demokratin. Deshalb zögerte sie nicht, sich zwei Amtsperioden als Gemeinderätin in Nuglar-St.Pantaleon zur Verfügung zu stellen. Und dies, obwohl sie zu dieser Zeit als ledige Mutter ein schulpflichtiges Kind hatte. Gleichzeitig baute sie die FDP-Frauen Dorneck auf. Auch war sie viele Jahre Ortsparteipräsidentin und in zahlreichen Mandaten tätig. Neben der Stärkung der Demokratie war für sie die Kultur wichtig. Sie brachte legendäre Dichterlesungen nach Nuglar. Auch hat sie die Herausgabe des Dorfbuches «Nuglar-St.Pantaleon, Geschichte, Natur, Kultur» geleitet. Sie hat Ausbildungen als Primarschullehrerin und Heilpädagogin.
Wochenblatt: Frau Glaser, Sie sind 1943 geboren. Sie waren also 28, als das eidgenössische Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Haben Sie dafür gekämpft?
Elisabeth Glaser: Schon als junger Mensch habe ich mich für Politik interessiert, aber nicht für Parteipolitik engagiert. Ich glaube, der Kampf fürs Frauenstimmrecht war eher eine städtische Sache, und ich bin ja in Liestal aufgewachsen. Dass wir nicht stimmberechtigt waren, hat man in meiner Umgebung irgendwie hingenommen. Man hat sich darüber weniger Gedanken gemacht, hat aber das Geschehen im Wohnort verfolgt.
Wann hat sich das geändert?
Mit 29 habe ich zwei Jahre an der Elfenbeinküste gearbeitet. Ich habe mitgeholfen, die Pfadfinderinnenbewegung auszubauen, und habe so auf freiwilliger Basis Entwicklungshilfe geleistet. Erfahrungen aus dem Alltag in dieser ehemaligen französischen Kolonie öffneten mir die Augen. Ich erlebte, was es heisst, wenn man nicht auf Zuverlässigkeit in der Behörde zählen kann.
Wann wurden Sie politisch aktiv?
Ich hatte die Politik nie so richtig ernst genommen. «Ja, ja, die Männer», dachte ich. Doch dann haben meine Schwester und ich in Nuglar das familieneigene Restaurant Rebstock übernommen. 1981 fragten uns die FDP-Politiker an, ob sie wie eh und je bei Wahlen im oberen Stock des Restaurants «einsitzen» dürfen. Es ging eine Weile, bis ich verstand. Von dort hatten sie Aussicht auf das Wahllokal und konnten kontrollieren, wer abstimmen ging. Die CVPler hatten ihren Beobachtungsposten in der Gartenwirtschaft und die SP hinter unserem Kastanienbaum. Wenn die Parteichefs eine Niederlage befürchteten, holten sie weitere Parteianhänger zur Stimmabgabe herbei. Das hat mich aufgerüttelt. Hoppla, das muss wohl doch etwas Wichtiges sein, ohne Partei kann man offenbar nicht wählen?! Vier Jahre später hat mich die FDP am Banntag angefragt, ob ich als Gemeinderätin kandidieren wolle. Nach kurzer Rücksprache mit meiner Schwester sagte ich zu und wurde 1985 zu Nuglars zweiter Gemeinderätin gewählt. Ich war die erste Frau, die direkt gewählt wurde.
Die Sache der Frau scheint bei Ihnen nicht im Vordergrund gestanden zu sein. Was war Ihre Motivation, Gemeinderätin zu sein und sich für die Gemeinde zu engagieren?
Soll die Demokratie weiter bestehen, braucht es die Frauen, braucht es uns alle.
Reines Pflichtgefühl also?
Ja. Oft stellen Frauen ihre persönlichen Bedürfnisse voran, anstatt sich zu überlegen, was die Demokratie braucht. Und es ist interessant, Projekte mitzugestalten. Es werden Zusammenhänge klar, die auch von Frauen beeinflusst werden müssen.
Trotzdem haben Sie die FDP-Frauen aufgebaut und über Jahre geleitet. Auch da ging es nicht um Frauenrechte?
In der Frauengruppe konnten wir voneinander lernen, was für die politische Arbeit wichtig war. Frauen machen ja eher Sachpolitik, Männer eher Parteipolitik. Ihr Verhalten machte uns manchmal ratlos. Wir mussten lernen, wie die Männer ticken. Gegen die automatische Ressortzuteilung an Frauen (Aktuarin, Soziales, Kultur) lernten wir uns zu wehren. Leider ist die Gruppe eingeschlafen, vermutlich braucht es die regionale frauenspezifische Förderung nicht mehr.
Ihre Mutter Lisel Glaser war eine geborene Morand, eine Alteingesessene. Sie gingen in die weite Welt und haben in England, Paris, in der Elfenbeinküste und in Zürich gearbeitet. Danach sind Sie nach Nuglar zurückgekehrt.
Als ich 1974 von Afrika zurückkam, war ich schwanger. Und ledig. Ich lebte in Zürich. Bei meinen Verwandten in Nuglar meldete ich mich nicht. Bis mich mein Götti anrief und mich fragte, wieso ich ihm meinen Sohn nicht vorstelle. «Götti, ich habe ein uneheliches Kind, bin ledige Mutter, das schadet dem Ruf der Familie. Ich will diesen nicht durch meine Anwesenheit noch mehr beflecken», antwortete ich ihm.
Das haben Sie gesagt? Da stellen sich mir die Nackenhaare auf.
Ja, das war damals so, bei einem unehelichen Kind. Noch dazu mit einem afrikanischen Vater. Mein Götti jedoch befahl mir, am Wochenende nach Nuglar zu kommen, denn dieses Kind gehöre zur Familie. Und alles kam gut. Mithilfe meiner Familie konnte ich meinen Sohn Marc aufziehen. Ich arbeitete anfänglich noch unter der Woche als Heilpädagogin in Zürich und am Wochenende im «Rebstock». Dank der Unterstützung meiner Umgebung konnte ich selbst für uns sorgen und recht unabhängig entscheiden. Geheiratet habe ich nie.