Die Kraft des Kupfers und Hellsehens
Während rund 15 Jahren hat Roger Seydoux in Flüh Menschen mit «hellsichtiger Lebensberatung» geholfen

Wer die Wohnung von Roger Seydoux in Flüh betritt, sieht bald, dass hier ein besonderer Mensch lebt; manche würden vielleicht sogar sagen: ein sonderbarer Mensch. Rosenquarze aller Grössen liegen im Flur, stehen auf Möbeln, insbesondere auf dem Radio und dem CD-Player. «Der Rosenquarz schützt die Anlagen vor Störungen», ist Seydoux überzeugt.
Während zwölf Jahren hat er eine «Praxis für hellsichtige Lebensberatung» geführt. Schon als Kind habe er gespürt, dass er hellsichtig sei, ohne das damals jedoch genau einordnen zu können. Erst als er, der gelernte Maschinenmechaniker, 1997 den Job verlor, weil die Firma, für die er viele Jahre tätig gewesen war, verkauft wurde, entschloss er sich, anderen Menschen mit seinen Fähigkeiten zu helfen. Dabei setzt er auf gutes Zuhören, und «Hilfe durch Ehrlichkeit». In der Branche gebe es viele Scharlatane, die mit Angstmacherei die Leute verunsicherten, statt ihnen zu helfen: «Ich helfe den Menschen den Weg zu finden, auf dem sie sich am wohlsten fühlen.»
Inzwischen tut der 64-Jährige dies nur noch selten. In der Nähe des Wohnblocks, in dem er in Flüh wohnt, weist noch immer ein Wegweiser zu seiner Beratungsstelle. «Noch vor kurzem habe ich einem Freund abgeraten, einen bestimmten Job anzunehmen.» Er, Seydoux, habe gesehen, dass er dort «nicht glücklich» werden würde. Der Freund habe auf ihn gehört und habe nun eine befriedigende Arbeit gefunden.
Roger Seydoux hat weder Handy, noch Computer, noch Fernseher. Lediglich ein CD-Player, ein Radio – und selbstverständlich – ein Festnetztelefon stellen den Kontakt zur Aussenwelt sicher. Seine Zeit nutzte Seydoux, um viele Meter lange Ketten aus Kupfer anzufertigen, die an den Wänden hängen. «Kupfer verströmt Kraft», ist Seydoux überzeugt. Wie zum Beweis legt er dem Besucher eine schwere Kette in die Hände, um ihn diese Kraft spüren zu lassen,
An der Decke baumeln kreisförmige Kunstwerke aus Stahl. Stahldraht hat er in tage-, nein: wochenlanger Arbeit zu schneckenförmigen Spiralen geformt und diese dann mit Hartlöten zu kreisförmigen Kunstwerken, auf denen Dutzende dieser Schnecken symmetrisch angeordnet sind. Aber es gibt auch Schmetterlinge und Vögel aus Stahl. Selbst in der Garage stehen solche Mobiles, Stahlkreise aus Schnecken und harmonisch ineinander gefügte Tetraeder. Dutzende von Lämpchen sind aufgereiht – Kerzenhalter, an denen Kupferschnecken den Schirm bilden. Seydoux ist überzeugt, dass diese Kerzenhalter die Wirkung des Kupfers verstärken. Eigentlich würde Seydoux diese Kunstwerke gerne verkaufen.
Was Seydoux, der auch Hauswart der Siedlung mit 36 Wohnungen ist, umtreibt, ist die Gewissheit, dass es Kräfte und Strömungen gibt, die sich der Mensch nicht erklären kann. Manche mögen ihn für einen Sonderling halten. Jetzt will er, der «in jungen Jahren der Flower-Power-Zeit nichts ausgelassen hat», in eine neue Lebensphase treten. Er will aufhören, Stahl- und Kupferkunstwerke zu formen, Lebensberatungen zu erteilen. Auch den Abwartsjob will er an den Nagel hängen. «Ich will jetzt viel Zeit in der freien Natur verbringen – beim Wandern.»