Neues Wohnkonzept soll besonders Familien anziehen

«Wohneigentum auf Zeit» bedeutet, über eine beschränkte Zeitdauer Eigentümer einer Liegenschaft zu sein. Die Genossenschaft Wohnstadt hat nach diesem Prinzip 21 Wohnungen im Quartier Bodmen gebaut.

Grosszügig: 4,5- und 5,5-Zimmer-Wohnungen werden angeboten. Fotos: Tobias Gfeller

Grosszügig: 4,5- und 5,5-Zimmer-Wohnungen werden angeboten. Fotos: Tobias Gfeller

Initiant: Mischa Folger.

Initiant: Mischa Folger.

Helle Innenräume, grosszügige Terrassen und ein Blick ins Grüne – die 21 Wohnungen an der Ettingerstrasse 38/40/42 im Quartier Bodmen bieten eine hohe Qualität. Der Kindergarten ist keine fünf Gehminuten vom Wohnblock entfernt. Mit 4,5 und 5,5 Zimmern sind die Wohnungen verhältnismässig gross, was bei heutigen Neubauten immer seltener angeboten wird. Nach jahrelangen Verzögerungen aufgrund von Einsprachen aus der Nachbarschaft begann Anfang August der öffentliche Verkauf. Sieben Wohnungen sind bereits reserviert.

Investorin des Neubaus ist die Genossenschaft Wohnstadt, die gleich nebenan den Wohnblock der Genossenschaft ­Rynach verwaltet. In diesem leben vorwiegend ältere Menschen. Der Neubau an der Ettingerstrasse ist primär für Familien gedacht.

Kaufpreis deutlich tiefer

Mit dem Neubau realisiert Reinach als erste Gemeinde in der Schweiz ein Angebot in der Form von «Wohneigentum auf Zeit» mit einer Genossenschaft als Eigentumspartnerin. Dem Käufer gehört die Wohnung zeitlich beschränkt für 30 Jahre und zu 30 Prozent. Die restlichen 70 Prozent gehören der Wohnstadt. Eigentümerinnen und Eigentümer haben während dieser Zeit jedoch das ausschliessliche alleinige Nutzungsrecht.

30 Jahre nicht in Stein gemeisselt

Die Idee für diese aussergewöhnliche Wohneigentumsform hatte Mischa Folger in den 1990er-Jahren. Trotz des Widerstands von Banken und der geringen Innovationskraft in der Immobilienbranche hielt der Reinacher an der Idee fest. 2004 wurden die ersten 42 Wohnungen in Bern mit Wohneigentum auf Zeit verkauft. «Eine Erfolgsgeschichte», sagt Folger stolz. Die 21 Wohnungen im Quartier Bodmen gehören zum zweiten bezugsbereiten Wohnblock, der nach dem innovativen Konzept erstellt wurde.

Gerade für junge Familien sei «Wohneigentum auf Zeit» ein interessantes Angebot, betont Folger. «Die Einstiegshürde in Sachen Kaufpreis ist deutlich tiefer. Mit 70000 bis 80000 Franken Eigenkapital ist man schon dabei.» Die Raiffeisenbank Reinach unterstützt mit einem Hypothekarkredit mit einer Laufzeit von 30 Jahren die innovative und alternative Eigentumsform. Die Eigentümerschaft bezahlt jährlich einen Kapitalzins und eine Substanzerhaltungsgebühr. Damit investieren die Eigentümerinnen und Eigentümer auf Zeit in den Erhalt der Liegenschaft. Nach Ablauf der 30 Jahre werden 15 Prozent der Investitionssumme an die Eigentümer zurückerstattet.

Die Zeitspanne von 30 Jahren ist nicht zufällig gewählt; sie entspricht in etwa einem Lebensabschnitt. Nach jeweils 30 Jahren wird die Wohnung umfassend saniert. Weil die Investorin dauerhaft Haupteigentümerin bleibt, hat sie auch die Sanierung in der Hand, die bei traditionellem Stockwerkeigentum auch mal hinausgezögert wird, weil sich die Eigentümerinnen und Eigentümer nicht einig sind oder zu wenig Kapital angespart wurde. Wer vor Ablauf der 30 Jahre das Eigentumsverhältnis beenden möchte, könne dies ohne Probleme tun. Die Genossenschaft Wohnstadt übernimmt die nicht genutzte Restlaufzeit. Vererben sei möglich. Auch bestehe die Option, das Eigentumsverhältnis über die 30 Jahre hinweg zu verlängern, falls die Genossenschaft damit einverstanden ist.

Hohe Nachfrage nach Wohnraum

Die Parzelle an der Ettingerstrasse gehört der Einwohnergemeinde Reinach und wurde der Genossenschaft Wohnstadt im Baurecht abgegeben. Gemeindepräsident Ferdinand Pulver (FDP) ist vom Konzept «Wohneigentum auf Zeit» angetan, weil es gerade jüngeren Familien Wohneigentum ermöglicht. Reinach profitiere von den neuen Wohnungen. «In erster Linie ist es für Reinach wichtig, dass neuer, zeitgemässer Wohnraum entsteht. Die Nachfrage ist hoch, die Verfügbarkeit entsprechend knapp.»

Wenn sich das Modell bewährt, wäre es denkbar, dass die öffentliche Hand auch künftig eine unterstützende Rolle einnimmt, indem sie zum Beispiel Land im Baurecht abgibt, so Pulver weiter. «In Reinach zeichnet es sich aber nicht ab, dass in naher Zukunft weitere Gemeindegrundstücke für solche Vorhaben zu Verfügung stehen werden.»

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