Open-Air-Filmtage: Ein komplexer Auftakt
Zur Eröffnung ihrer 30.Ausgabe zeigten die Open-Air-Filmtage Reinach mit «September 5» einen Film über das Geiseldrama an den Olympischen Sommerspielen 1972 in München.

Es war keine leichte Kost, welche die Organisatoren der Open-Air-Filmtage Reinach am vergangenen Freitag für die Eröffnung der 30. Ausgabe gewählt hatten: Der dritte Film des Basler Regisseurs Tim Fehlbaum mit dem Titel «September 5» handelt vom Attentat auf Mitglieder der israelischen Mannschaft durch die palästinensische Terrororganisation «Schwarzer September» während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München.
Das 90-minütige Werk, das zwar ein Spielfilm ist, sich aber auch etwas wie eine akribisch recherchierte Dokumentation anfühlt, erzählt die Geschehnisse aus der Perspektive einer Gruppe US-amerikanischer Sportjournalisten, die unverhofft Zeugen des Ereignisses wurden und darüber fast in Echtzeit berichteten – ein Vorläufer des heutigen Livetickers war geboren. Die Journalisten übertrugen parallel zu Volleyball, Boxen oder Werbung auch das dramatische Geschehen im Olympiadorf. 900 Millionen Zuschauer verfolgten diese Live-Berichterstattung.
Basler Bezug
Zur Premiere der Open-Air-Filmtage Reinach im letzten Jahr wurde der Film «Bon Schuur Ticino» gezeigt – der Andrang war riesig. Bei «September 5» stellte sich die Situation anders dar: Zwar war der Abend gut besucht, doch es hatte auch bei Beginn des Films um 21 Uhr noch reichlich Plätze.
«Uns ist bewusst, dass ein solcher Film nicht die gleiche Anzahl Menschen anlockt, wie das eine Komödie tut. Angesichts der Probleme auf der Welt wollen sich die Leute lieber einfach unterhalten lassen. Durch Tim Fehlbaum hatten wir aber einen Bezug zu Basel. Deshalb war es klar, dass wir diesen Film bringen wollten», sagte Alex Strohm, Präsident der Filmtage. Sowieso steht dieses Jahr die leichte Unterhaltung nicht an vorderster Stelle. Auch das Liebesdrama «Wie Live in Time» und das Schweizer Drama «Friedas Fall», das morgen Freitag mit Stargast Peter Hottinger gezeigt wird, sind keine leichte Kost. Unterhaltung für die ganze Familie bietet «Die drei ??? und der Karpatenhund» als Abschluss am Samstag.
«Wir wollten mit unserem Film einerseits zeigen, wie Journalisten arbeiten, und andererseits Anlass bieten, um darüber zu reflektieren, wie wir heute Medien konsumieren», erzählte Tim Fehlbaum über Videobotschaft im Vorlauf des Films.
Im Schatten des Nahostkonflikts
Die Entwicklungen in Nahost haben dafür gesorgt, dass der Film anders wahrgenommen wurde, als dies ursprünglich wohl beabsichtigt war – «September 5» ist zwischen Fronten geraten. In New York bildete sich sogar eine Gruppe von Kinobetreibern, welche die Absetzung des Films forderten – von «zionistischer Propaganda» war die Rede. «Es ist klar, dass man den Film fast nicht losgelöst von den heutigen Ereignissen in Nahost wahrnehmen kann. Es ging uns aber nie darum, ein politisches Statement abgeben zu wollen», so Fehlbaum.
Tatsächlich erscheint der Film wie ein Zeitdokument: Das Fernsehen war gerade dabei, zum unverzichtbaren Altar im Wohnzimmer des Menschen zu werden, und weil Erfolg gewöhnlich moralische Erwägungen in den Wind schlägt, sagt der eine Journalist im Film passend: «Wir folgen unserer Geschichte. Egal, wo sie hinführt.» Dabei stellt sich etwa die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, zu zeigen, wie eine Geisel von den Terroristen erschossen wird.
Sportlicher Aspekt
Die politische Debatte liess teilweise vergessen, dass dem Film auch eine sportliche Seite innewohnt: Was dieses Sportereignis 27 Jahre nach 1945 für Deutschland bedeutete, transportiert «September 5» in Dialogen und atmosphärisch.
Mehr um den sportlichen Aspekt ging es beim Gast, den die Organisatoren eingeladen hatten: Der Basler Schauspieler David Iselin spielte im Film in einer ganz kurzen Szene wegen einer grossen Ähnlichkeit das Double des damaligen US-Schwimmers Mark Spitz. «Deswegen habe ich heute viele amerikanische Freunde», sagte Iselin im Interview mit Strohm lachend. Monate musste er trainieren, damit die Schwimmszenen mit Mark Spitz nachgestellt werden konnten. Wie üblich haben die Organisatoren das kulinarische Angebot dem Film angepasst: Da es sich im Film um US-amerikanische Sportjournalisten handelt, gab es «baked potatoes» und Spareribs.