«Ein Stellenabbau ist hier nicht geplant»
Die Endress+Hauser Gruppe mit Hauptsitz in Reinach ist von den hohen US-Zöllen direkt betroffen. Chief Financial Officer Luc Schultheiss erklärt, was dies für den Konzern und den Standort Reinach bedeutet.

Herr Schultheiss, wie stark und in welchen Sparten spürt die Endress+Hauser Gruppe die US-Zölle von 39 Prozent?
Luc Schultheiss: Endress+Hauser ist vor allem durch die Lieferung von Vorprodukten und Produkten der Durchflussmesstechnik betroffen, die an unserem Standort hier in Reinach gefertigt werden. Das Gleiche gilt für die Sensoren und Komponenten unseres Tochterunternehmens Innovative Sensor Technology IST AG mit Sitz in Ebnat-Kappel. Über die Auswirkungen können wir derzeit wenig sagen. Wir sind im Investitionsgütergeschäft tätig. Da dauern Kaufentscheidungen häufig länger, weshalb sich Effekte meist erst mit zeitlichem Versatz im Geschäft niederschlagen.
Wenn Sie in die Zukunft blicken, welche Befürchtungen haben Sie in Sachen US-Geschäft?
Wir möchten nicht spekulieren, was sein könnte. Aber wir vertreten weiter die Überzeugung, dass freier und fairer Handel allen Seiten nützt. Deshalb hoffen wir, dass es dem Schweizer Bundesrat noch gelingt, in den weiteren Gesprächen und Verhandlungen zu einem besseren Ergebnis zu gelangen.
Kann Endress+Hauser die Zölle an die US-Kunden überwälzen oder werden die Produkte dann zu teuer im Vergleich zur Konkurrenz?
Um die Belastung für unsere Kunden in Grenzen zu halten, geben wir die US-Zölle nicht vollständig weiter, sondern tragen einen Teil der Mehrkosten selbst. Die Preisaufschläge sind temporär und werden transparent kommuniziert.
Welche Massnahmen hat Endress+Hauser nach der Ankündigung der Zölle ergriffen und welche sind noch geplant?
Nach der ersten Ankündigung von Zöllen im April haben wir Lieferwege angepasst und operative Massnahmen umgesetzt, um Effekte zu minimieren und die Lieferfähigkeit sicherzustellen. Natürlich überprüfen wir diese Massnahmen ständig. Grundsätzlich behalten wir unsere Kosten immer gut im Auge und gehen diszipliniert mit unseren Ausgaben um – das gilt in einer solchen Situation umso mehr.
Ist es denkbar, die Produktion stärker in die USA zu verlegen und dort womöglich ein neues Werk zu eröffnen? Könnten auch Arbeitsplätze aus Reinach und der Region Basel betroffen sein?
Endress+Hauser betreibt bereits seit vielen Jahren grosse Werke in den USA. Weil aber von den Zöllen auch Vorprodukte erfasst werden, die wir nur in Europa fertigen, hilft uns das in der augenblicklichen Situation nicht weiter. Einen Ausbau der Produktion in den USA als direkte Reaktion auf die Zölle planen wir derzeit nicht. Wir hatten schon vor der Ankündigung beschlossen, unseren Produktionsstandort in Greenwood/Indiana, wo wir auch Durchflussmesstechnik fertigen, zu erweitern. Das ist aber Teil unserer langfristigen Wachstumsstrategie. Und um es klar zu sagen: Ein Stellenabbau hier in der Schweiz ist nicht geplant, auch keine Kurzarbeit.
Wie versucht Endress+Hauser, anstelle der USA neue Märkte zu erschliessen oder in bestehenden Märkten zu wachsen? Welche Märkte stehen da besonders im Zentrum des Interesses?
Endress+Hauser ist bereits heute über die Welt sehr breit aufgestellt. Wir sind nicht von der Entwicklung in einzelnen Ländern abhängig. Und wir sind seit vielen Jahren in praktisch allen Regionen der Erde vertreten, um überall, wo sich Wachstumschancen ergeben, diese zu nutzen. Es gibt auch in der jetzigen Situation zahlreiche Märkte, in denen sich Endress+Hauser gut, teils sogar sehr gut entwickelt; in Süd- und Südostasien, Nord- und Südamerika, dem Nahen Osten und auch in Europa.
Wie beurteilt Endress+Hauser den chinesischen Markt? Ist das ein Wachstumsmarkt, auf den man sich verlassen kann, oder spüren Sie auch dort Unsicherheiten?
Nach vielen Jahren mit zweistelligem Wachstum geht es in China seit einiger Zeit aus unterschiedlichen Gründen langsamer voran. Wir spüren unter anderem die Auswirkungen der Immobilienkrise und die bestehenden Überkapazitäten in der Industrie. Trotz der verhaltenen Entwicklung ist und bleibt China für uns ein überaus wichtiger Markt. Es ist ein Land mit einem riesigen Binnenmarkt und einer starken Exportindustrie. Wir rechnen dort auf längere Sicht weiterhin mit einer positiven Entwicklung unseres Geschäfts.
Die Welt ist zurzeit geprägt von Unsicherheiten. Können Sie sagen, welche Ereignisse Endress+Hauser am stärksten belasten? Sind es die Kriege oder die wirtschaftliche Situation in der EU – zum Beispiel in Deutschland?
Die Krisen und Umbrüche, die wir derzeit erleben, stellen unsere Kunden und uns immer wieder vor Herausforderungen. Aber unsere breite Abstützung im Markt und die langfristige Orientierung als Familienunternehmen gibt uns eine stabile Grundlage, um gut durch unsichere Zeiten zu kommen. Am meisten belastet uns im Augenblick deshalb die Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber wichtigen Fremdwährungen. Das setzt unsere Profitabilität zusätzlich unter Druck.
Wenn Sie einen Begriff benutzen müssten, um die aktuelle Situation bei Endress+Hauser in Zusammenhang mit der Weltlage zu beschreiben, welcher wäre es?
Ich würde von «Verlässlichkeit» sprechen – wir bleiben in jeder Situation ein verlässlicher Partner für unsere Kunden und unsere Mitarbeitenden.
Das Interview wurde schriftlich geführt.