Reduce to the max: «Die Königin der Operetten» feierte Premiere

Keine Operette ist so langlebig, beliebt und beständig aktuell wie «Die Fledermaus» von Johann Strauss. Nach 20 Jahren hat sie neuestheater.ch wieder ins Programm genommen.

Ausgefallen: Prächtige Kostüme und eine fantasievolle Bühne mit Elementen aus früheren Stücken des Theaters. Foto: Lucia Hunziker
Ausgefallen: Prächtige Kostüme und eine fantasievolle Bühne mit Elementen aus früheren Stücken des Theaters. Foto: Lucia Hunziker

Was hat ein Romanesco-Broccoli mit Georg Darvas’ Inszenierung der «Fledermaus» zum 20-Jahr-Jubiläum des Theaters zu tun? Eine ganze Menge. Der Romanesco ist ein Beispiel für die Fraktaltheorie: Im Teil ist das Ganze. Darvas hat bewiesen, dass man die berühmte Operette von Johann Strauss um eine Stunde, drei Personen, den Chor und das Orchester kürzen kann. Die Zuschauer haben dabei nie das Gefühl, nur ein Fragment zu sehen und zu hören. Die Essenz bleibt erhalten, so wie beim Röschen eines Romanescos der ganze Kopf, sichtbar nachgebildet, erscheint. Dem sagt man auf Englisch auch: «to reduce to the max» – etwas aufs Wesentliche reduzieren, sodass es auch die maximale Wirkung entfalten kann. Dazu gelang es Darvas, im zweiten Akt etwas vom Corona-Blues aufkommen zu lassen, ohne dem Publikum den Spass zu verderben.


Geschmeidiger Sopran
«Die Fledermaus» von Johann Strauss ist die «Königin der Operetten». Der Notar Dr. Falke wird von Gabriel von Eisenstein düpiert und will sich nun an diesem rächen. Eisenstein müsste eigentlich wegen Amtsbeleidigung einige Tage ins Gefängnis, geht aber am Abend an eine Soiree des Prinzen Orlofsky, um sich zu amüsieren. Jetzt beginnt ein Verwirrspiel, das von Anfang an geplant ist, aber am Ende auch zeigt: Alle Beteiligten sind moralisch nicht über jeden Zweifel erhaben. Darum: «Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.»

Kathrin Hottiger, die das Kammermädchen und die angebliche Künstlerin Olga verkörpert, weiss mit ihrem
geschmeidigen und präzise geführten Sopran zu gefallen. Den Namen dieser jungen Sängerin sollte man sich jedenfalls merken. Insgesamt sind die Besetzung und die stimmliche Qualität tadellos.


Ein toller Frosch
Bei den Silvesteraufführungen in Wien wird die Rolle des Gerichtsdieners Frosch immer prominent besetzt. So auch in Dornach: Urs Bihler gibt den Frosch auf Baseldeutsch und frotzelt herrlich über die Corona-Massnahmen und andere Verrücktheiten der Zeit. Schon allein sein Auftritt lohnt einen Besuch. Die pianistische Leistung von Bruno Leuschner ist ebenfalls hervorzuheben. Er begleitet sicher, virtuos und doch unaufdringlich die musikalischen Teile. Das von Valentin Köhler gestaltete Bühnenbild ist Corona- und budgetbedingt eine optische Collage früherer Inszenierungen. Zwei beidseitig verwendbare Rollparavents ermöglichen schnelle Szenenwechsel. Eine Luke im Boden führt ins Gefängnis. Die Kostüme von Sophie Kellner passen perfekt zum Bühnenbild.
Johann Strauss’ Operette war vor 20  Jahren die erste musikalische Produktion von neuestheater.ch. Die zeitgemässe Neuinszenierung von Georg Darvas wurde vom Premierenpublikum zu Recht frenetisch gefeiert.

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