Schikane? Für den Ausweismuss ein 94-Jähriger nach Solothurn
Wolf Hötsch muss als Deutscher seine C-Bewilligung neu in Solothurn verlängern. Für den mobilitätseingeschränkten Dornacher ist dies unmöglich. Die Behörden schalten zunächst auf stur.

Wolf Hötsch ist 94 Jahre alt, hat ein Glasauge, auf dem anderen Auge einen grauen Star und kann deshalb nicht einmal mehr die Zeitung lesen. Mit dem Stock kann er nur gut 15 Minuten am Stück langsam gehen. Wolf Hötsch ist Deutscher und lebt seit 69 Jahren in der Schweiz – seit 59 Jahren in Dornach. Schon früh wollte er sich einbürgern lassen, brach das Gesuch aber aufgrund «behördlicher Schikanen» ab.
Als Ausländer muss er seine Aufenthaltsbewilligung C alle zehn Jahre erneuern lassen. In diesem Jahr ist es wieder so weit. Der Kanton Solothurn informierte Hötsch darüber, dass die Erneuerung der Bewilligung nicht mehr in Dornach möglich sei. Weil die C-Bewilligung neu in Kreditkartenform statt auf Papier ausgestellt wird, müsse der 94-Jährige für die Erfassung der biometrischen Daten – dazu gehören ein Foto und eine Unterschrift – ins Ausweiszentrum nach Solothurn kommen. Das sei eine kurze Sache, sagte man ihm am Telefon. Aufgrund seiner Einschränkungen sei ihm das nicht möglich, klagt er gegenüber dem Wochenblatt. «Ich bräuchte für die Fahrt nach Solothurn eine Begleitung. Meine Frau kann nur kurze Wege mit dem Rollator gehen. Sie kann mir also nicht helfen.» Mit dem öffentlichen Verkehr müsste er dreimal umsteigen, was mindestens einer Halbtagesreise gleichkäme. «Das ist für mich schlichtweg unmöglich», stellt Wolf Hötsch klar.
Ärztin muss Dauer der Einschränkung belegen
Die persönliche Ärztin schilderte dem Amt die Situation von Hötsch in einem Brief. Als Antwort kam aus Solothurn die Rückmeldung, dass die Ärztin darlegen müsse, wie lange die Einschränkungen andauern würden. Ehefrau Lisbeth Hötsch – sie ist Schweizerin – kann nur den Kopf schütteln. «Bei einem 94-Jährigen mit diesen Leiden wird der körperliche Zustand doch nicht auf einmal besser, im Gegenteil.» Wolf Hötsch bezeichnet das Ganze mit einem gequälten Lächeln als «Behördenlogik».
Wolf und Lisbeth Hötsch können das Vorgehen des Kantons nicht nachvollziehen. «Wir erwarten etwas mehr Flexibilität», betont Lisbeth Hötsch. «Ich kann verstehen, dass Dokumente digitalisiert werden. Wenn es aber nicht geht, geht es nicht. Es müssten doch Ausnahmen möglich sein, dass der bisherige physische Ausweis wie bisher verlängert wird.» Seinen physischen C-Ausweis musste Hötsch per Post nach Solothurn schicken. Aktuell stehe er deshalb ohne offizielle Schweizer Dokumente da. «Ich habe aktuell nur den deutschen Pass – von der Schweiz nichts.»
Lisbeth Hötsch hält zum Abschluss des Gesprächs fest: «Wir unterstellen den verantwortlichen Personen und denjenigen, mit denen wir Kontakt hatten, keine böse oder schlechte Absicht. Es ist einfach unlogisch.» Er wolle nicht als Querulant dastehen, ergänzt Wolf Hötsch. «Ich möchte auf einen Missstand aufmerksam machen. Es betrifft in Zukunft wahrscheinlich auch andere Personen, die nicht mobil sind.»
Migrationsamt: Ausnahmen sind möglich
Auf Anfrage rechtfertigt sich das Migrationsamt des Kantons Solothurn. «Die technischen Vorgaben verlangen eine persönliche Vorsprache für die Ausstellung eines Ausländerausweises», schreibt die Leiterin des Ausweiszentrums, Marianne Lanthemann.
Es könne aber auch Ausnahmen geben, falls eine Person mittels Arztzeugnis belegt, dass sie aktuell und in absehbarer Zeit nicht reise- und transportfähig ist. «Die Person erhält in diesem Fall einen Auszug aus dem Zentralen Migrationssystem des Bundes (ZEMIS), welches den Aufenthaltsstatus sowie deren Gültigkeit belegt.» Was dies für Wolf Hötsch bedeutet, ist aktuell noch unklar.