Erdbeertörtchen statt Cremeschnitte: Ein Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung

Verschiedene Lebensmittelläden bieten über die App «Too Good To Go» ihre übrig gebliebenen, kurz vor Ablauf stehenden Produkte an. Ein Selbstversuch zur Lebensmittelrettung.

Statt in die Biotonne: Michael Lerchster und Janine Alfano präsentieren die zwei Menüs, die später abgeholt werden. Foto: Gaby Walther

Es ist ein bisschen wie Weihnachten: Um 18 Uhr kann ich mein Päckli bei Coop abholen. In dem Überraschungspaket für 5.90 statt 18 Franken befinden sich ein Beutel gewaschener Salat, zwei Portionen geschnittene Ananas, zwei Joghurts, ein Stück Kokosnusskuchen und eine ­Packung Spitzbuben. Ich koche Spaghetti und mein Nachtessen mit Vorspeise und Dessert steht auf dem Tisch, nebenbei habe ich einen Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung geleistet.

Das Unternehmen «Too Good To Go» wurde 2016 in Kopenhagen gegründet, hat 100 Mio. registrierte Nutzer und 175000 Partnerinnen. Auch in unserer Region machen einige Unternehmen bei der Aktion mit und tragen dazu bei, dass gute Lebensmittel nicht in der Tonne landen.

Ich teste die App am nächsten Tag nochmals. Um 15 Uhr kann ich in Laufen bei La Petite Chenille, Menü-Lieferservice und Catering, mein Essen abholen. Für 6.90 statt 21 Franken erhalte ich eine Portion Ragout, Kartoffeln, Gemüse und Salat. «Wir sind seit einem Jahr bei der Organisation dabei. Am Anfang stellten wir täglich zehn Portionen bereit, inzwischen hat die Nachfrage nachgelassen. Täglich werden im Schnitt drei bis fünf Portionen abgeholt. Die Kundschaft ist sehr heterogen, einige kommen regelmässig», erzählt die Mitarbeiterin Janine Alfano. Das Unternehmen beliefert ­Kantinen und Kitas mit seinen Mahlzeiten. Die Portionen so zu planen, dass es genau aufgeht, ist schwierig und so bleibt ­immer etwas Essen übrig. Ein Teil davon wird unter dem Personal aufgeteilt, ein Teil über «Too Good to Go» verteilt und der Rest fliegt in die Biotonne. «Wir könnten mehr verteilen, wenn die Nachfrage grösser wäre», bestätigt Michael Lerchster, Inhaber und Geschäftsführer. ­Finanziell bringt die Verteilung kaum einen Gewinn. Von den 6.90 muss das Unternehmen 2.90 Franken an die Organisation abgeben, die Verpackung kostet und es braucht Ressourcen, um die ­Menüs bereitzustellen. «Anderseits ­kostet auch die Biotonne, wir machen etwas gegen Lebensmittelverschwendung und Werbung für unser Unternehmen», ergänzt Lerchster.

Etwa 40 Prozent aller weltweit produzierten Lebensmittel werden verschwendet. Das sind 2,5 MilliardenTonnen pro Jahr (WWF, 2021). Die grösste Lebensmittelverschwendung entsteht im privaten Haushalt mit 54 Prozent, 7 Prozent fallen auf den Einzelhandel und Vertrieb sowie 9 Prozent auf Restaurants und ­Lebensmitteldienstleister (Eurostat, 2023). Das heisst, wenn wir Lebensmittelverschwendung vermeiden wollen, ­müssen wir zu Hause damit beginnen. Das Einkaufen ablaufender Lebensmittel ist eine weitere Möglichkeit und so starte ich meinen dritten Versuch. Ich bestelle ein Überraschungspaket bei der Bäckerei Kübler. Die Ausbeute für 7.20 statt 18 Franken sind ein Brot, ein Nussgipfel, ein Schoggigipfel, ein Laugenbrötchen, ein Törtchen und ein Stück Gemüsewähe. «Wir haben 14 Filialen. In Breitenbach stellen wir immer drei Säcke bereit, in Aesch, wo die Nachfrage grösser ist, sind es fünf Säcke. Darin befindet sich immer ein Brot, Salziges und Süsses — das, was am Abend eben noch übrig ist», erklärt die Verkäuferin.

Gerne hätte ich auch etwas bei den beiden Bäckereien in Laufen und bei ­Othmar Richterich abgeholt. Doch hier muss man schnell sein. Die Päcklein sind beliebt und schnell verkauft.

Mein Fazit: Lebensmittel kaufen, die kurz vor dem Ablauf stehen und fortgeworfen werden müssen, ist eine gute Sache. Selber muss man bereit sein, um eine bestimmte Zeit — meist kurz vor ­Ladenschluss — am ausgewählten Ort zu sein, die erhaltenen Lebensmittel sofort zu verwerten, sich gerne überraschen zu lassen und sich damit zu begnügen, statt der erhofften Cremeschnitte ein Erdbeertörtchen zu essen.

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