Wenn es in der guten Stube tickt und musiziert
Heinrich Weiss, Uhrenspezialist und Erfinder, erfüllt sich einen lang gehegten Wunsch und richtet in seiner Wohnstube mit der jungen Uhrmacherin Rebekka Meier eine Sammlung von Uhren, Drehorgeln und Spieldosen ein.

Gemäss seinem Motto: 96 Jahre alt und kein bisschen müde: «Dr Heiri chas nid lah, er muess immer öppis zschaffe ha». Heinrich Weiss erlebt mit seiner Frau Hannemi und zwei Dutzend Freunden einer seiner schönsten Tage. In seiner Wohnstube hat er mit der gelernten Uhrmacherin Rebekka Meier und dem Elektriker Paul Saladin über hundert alte Uhren und Musikautomaten aufgehängt oder aufgestellt. «Die 26-jährige Restauratorin Rebekka Meier ist ein Geschenk des Himmels», erklärt Weiss. Er hat ihr seine ganze Werkstatt und die Drehbank geschenkt und sie hat die wertvollen Uhren wieder auf Vordermann gebracht. Dank seiner grosszügigen Geste konnte sie in Grenchen ein Uhrenatelier eröffnen, wo sie Klein- und Grossuhren revidiert und restauriert.
«Mein Vater hat einen Freudensprung gemacht, als ich das Licht der Welt erblickte und mich lautstark anmeldete», witzelt Weiss, wenn er von seiner Kindheit erzählt. Schon als Lausbub begann er, Uhren auseinanderzunehmen und zu flicken. Die Bauern im zürcherischen Wetzwil brachten ihm ihre Uhren, um sie wieder zum Laufen zu bringen. Was anscheinend irreparabel war, landete in seiner Sammlung, Weiss machte bei Escher Wyss eine Mechanikerlehre und baute als einzigartiges Prüfungsstück eine Dampfmaschine. Seine technische Begabung, sein Erfindergeist und seine Zielstrebigkeit machten ihn zu einem gefragten Spezialisten. 1950 übernahm er die Druckerei seiner Schwiegereltern und baute dieselbe zu einem blühenden Geschäft aus. Er tüftelte an neuen Drucktechniken, sammelte Uhren und Musikautomaten und erfand den berühmten Weiss-Code, den Vorläufer des heutigen Strichcodes. 1979 eröffnete er mit seiner ersten und verstorbenen Frau Berty das Musikautomatenmuseum in Seewen und 1990 vermachte er dasselbe der Eidgenossenschaft.
Zurück zur Eröffnung des Uhrenstubenmuseums vom vergangenen Samstag. Heiri, wie ihn seine Freunde liebevoll nennen, bittet die Gäste zum Konzert der «Mondscheinsonate». Auf dem automatischen Bechstein-Welte-Flügel wird eine Rolle eingelegt, worauf wie von Geisterhand der 1. Satz der «Mondscheinsonate» von Beethoven ertönt. «Immer, wenn ich traurig bin, lasse ich mir dieses Stück vorspielen», erklärt der Ehrenbürger von Seewen und Ehrendoktor der Universität Basel.
«Jede hier aufgehängte Uhr ist ein Meisterwerk», beginnt Rebekka Meier ihren Rundgang. Mit ihrem Mentor hat sie die Uhren nach der Erbauungszeit aufgereiht. Die ersten Uhren aus dem 14. Jahrhundert hatten sogar noch ein Holzwerk und stammten aus Appenzell, Bern oder Neuenburg. Später wurden Spielfiguren montiert, die die vollen Stunden mit Musik begleiteten.
Zum Schluss setzt Paul Saladin noch eine Drehorgel in Betrieb und lässt den Gassenhauer «Rote Rosen» ertönen. «Das Uhrenstubenmuseum ist privat und kann von der Öffentlichkeit nicht besucht werden», betont Heinrich Weiss. Seine viel gerühmten Kochkünste dürfen anschliessend die Gäste mit dem Eintopfgericht nach «Heiri-Art» geniessen.