Wie uns die Maschine denkt

Künstliche Intelligenz bestimmt zusehends unser Leben. Eine Ausstellung im Haus der elektronischen Künste zeigt, wie die Maschine denkt. Und wie wenig wir sie verstehen.

Spiel mit der Realität: Die Installation «Membrane» von Ursula Damm erlaubt es den Besucherinnen und Besuchern, mit abstrakten Bildern von sich selbst direkt zu interagieren.  Foto: Franz Wamhof
Spiel mit der Realität: Die Installation «Membrane» von Ursula Damm erlaubt es den Besucherinnen und Besuchern, mit abstrakten Bildern von sich selbst direkt zu interagieren. Foto: Franz Wamhof

Seltsame Gestalten empfangen den Besucher beim Eintritt in die Ausstellung «Entangled Realities» im Haus der elektronischen Künste auf dem Dreispitzareal in Münchenstein. Mal sehen sie aus wie gemalt, dann wie fotografiert, sie sind verzerrt, bewegen sich, und mit einem leichten Schrecken erkennt man plötzlich – sich selbst. Und schon ist man mitten drin im Reich der künstlichen Intelligenz. Zwei Programme spielen hier zusammen: Das eine nutzt die Life-Aufnahme der Kamera, die den Besucher ins Visier genommen hat, um Gesichter zu erkennen. Das andere konstruiert aus den Resultaten wieder ein Gesicht. Unser Gesicht. Zwei neuronale Netzwerke arbeiten hier zusammen, und doch bleibt die Handschrift des Künstlers sichtbar. Denn die künstliche Intelligenz erkennt nur, was sie zu sehen gelernt hat: Sie muss mit Unmengen von Bildern gefüttert werden, um in den Daten, die sie analysiert, Muster zu erkennen, die auch für uns Sinn ergeben.


Mutierter Chat-Bot

Wie das geht, zeigt eine Installation von Trevor Paglen. Er mischt eigens für das Training von künstlicher Intelligenz aufgenommene Bilder mit Aufnahmen von Youtube-Usern. Denn was wir auf unsere Social Media Channels laden, ist Rohmaterial für intelligente Programme. So konditionieren wir sie mit der Datenspur, die wir hinterlassen. Wohin das führen kann, zeigt die Installation von Zach Blas und Jemima Wyman. Sie haben den Chatbot «Tay» wieder erlebt: Microsoft hatte ihn 2016 aktiviert, um Konversationen von Teenagern zu lernen. Das Experiment musste nach einem Tag beendet werden: Die künstliche Intelligenz war im Austausch mit Internet-Nutzern zum Rassisten und Sexisten mutiert.

Man wolle dem Thema kritisch, aber auch offen entgegentreten, sagt Kurator Boris Magrini. Ein Beispiel dafür ist die Installation von Holly Herndon und Mat Dryhurst. Seit mehreren Jahren füttern die Künstler ihre eigene KI mit Musik. Nun haben sie sie in einer Aktion geöffnet und mit Inputs von Menschen mit den verschiedensten kulturellen und sexuellen Hintergründen gefüttert. Sie wurde gewissermassen auf Diversität trainiert.

«Entangled Realities» zeigt unaufdringlich, aber schonungslos,, wie wenig wir die Programme verstehen, die unser Aussehen, unser Verhalten, unsere Identität immer besser erkennen und in ihre Maschinenwelt einordnen. Und wie sehr sie doch geprägt sind von unseren Vorlieben, Vorurteilen und Beschränkungen. «Entangled Realities» ist noch bis am 11. August im Haus der elektronischen Künste zu sehen.

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