Der Hochstapler und seine Opfer – Theater Münchenstein gelingt Première

Mit ihrem Debütstück «Der Revisor» von Nicolay Gogol haben Christoph Frommherz und Danny Wehrmüller eine ernstzunehmende Bühne ins Leben gerufen.

Der galante Revisor, angehimmelt von Mutter und Tochter: Anna Andrejewna (Fabienne Vincent, links), Chlestakow (Fabian Zinsstag), Marja (Laurence Sauter). Im Hintergrund Markus Scherrer und Andreas Sigrist (v. l.). Foto: Thomas Brunnschweiler
Der galante Revisor, angehimmelt von Mutter und Tochter: Anna Andrejewna (Fabienne Vincent, links), Chlestakow (Fabian Zinsstag), Marja (Laurence Sauter). Im Hintergrund Markus Scherrer und Andreas Sigrist (v. l.). Foto: Thomas Brunnschweiler

Thomas Brunnschweiler

Es gibt wohl kein anderes Drama, das die russische Seele derart spiegelt wie Nicolaj Gogols Komödie «Der Revisor» von 1836. Ein Hochstapler wird in einer Kleinstadt, deren Elite korrupt ist, für den angekündigten Revisor gehalten. Zuerst glaubt der Fremde, man wolle ihn einsperren, bis er merkt, dass alle ihn für einen anderen halten, als er ist. Einzig Serviertochter Mascha, die aus demselben Holz geschnitzt ist wie der ominöse Chlestakow, durchschaut den Betrug. Ob Bürgermeister, Richter, Schulinspektorin, Posthalterin, Spitalverwalter, Gutsbesitzer oder Industrieller – alle versuchen ihre Vergehen zu vertuschen. Dafür wird der vermeintliche Revisor gehätschelt, verwöhnt und geschmiert. Und die Frauen werfen sich ihm gleich reihenweise an den Hals. Der Ausgang des Stücks soll für jene, die es nicht kennen, verschwiegen werden.

Gute Mundartadaption

Die Übertragung von Gogols Text in Mundart ist Regisseur Danny Wehrmüller geglückt. Plötzlich wird klassische Weltliteratur zur alltagssprachlichen Posse, die mit drastischen Ausdrücken gewürzt ist. Wehrmüller transponiert das Geschehen in die Jetztzeit, was zu Anachronismen führt, die jedoch nicht weiter stören. Es wurden Namen verändert, Nebenfiguren weggelassen und andere eingefügt. Irritierend ist, dass der Geistliche als katholischer Pfarrer und nicht als orthodoxer Pope auftritt; aber vielleicht ist dies gewollte Verfremdung, die den Bezug zu unserem Kulturkreis herstellt. Auch das Bühnenbild von Irene Pfisterer mit den Wahlplakaten des Bürgermeisters verweist auf unsere Art, Politik zu betreiben. Die Slogans wie «sauber», «verlässlich» oder «unbestechlich» stehen im krassen Gegensatz zur Realität der dargestellten bestechlichen Kleinstadt. Bei der Besetzung der 17 Rollen zeigt Danny Wehrmüller eine glückliche Hand. Alle Rollen sind adäquat besetzt und nutzen das vorhandene persönliche Potenzial.

Ideal besetzte Titelrolle

Bei der Premiere am Freitag in der Aula der Rudolf Steiner Schule Münchenstein war den Spielenden die Nervosität noch anzumerken. Es gab einige Texthänger und der Bürgermeister übersprang einmal eine Passage, wurde aber von einer Mitspielerin souverän gerettet. Auch der Spielrhythmus war noch nicht ganz optimal. Insgesamt zeigte das Ensemble aber eine homogene und solide Leistung. Ohne die Qualität der anderen schmälern zu wollen, muss doch die schauspielerische Brillanz des Protagonisten erwähnt werden. Fabian Zinsstag spielt den «Revisor» mit einer nachvollziehbaren inneren Entwicklung. Aus der Ängstlichkeit des Kleinganoven, der sich vom Gesetz umzingelt sieht, wird die Lässigkeit und Süffisanz des souveränen Hochstaplers, der seine Überlegenheit masslos auskostet. Ansprechend ist auch das Programmheft. Das Theater Münchenstein ist auf dem richtigen Weg.

Nicolaj Gogol: Der Revisor, Theater Münchenstein, Rudolf Steiner Schule Münchenstein; 4./5. Nov., 20 Uhr; 6. Nov., 16 Uhr; 11./12. Nov., 20 Uhr; 13. Nov., 16 Uhr.
<link http: www. theatermünchenstein.ch external-link-new-window>www. theatermünchenstein.ch

Weitere Artikel zu «Münchenstein», die sie interessieren könnten

Münchenstein15.05.2024

Haarföhn weicht Heizplatten

Aus einem ehemaligen Coiffeur­laden wird ein Bistro: Am Samstag hat an der ­Loogstrasse in ­Münchenstein die erste Crêperie der Wochenblatt-Region eröffnet.
Münchenstein09.05.2024

Neue Kabel, neuer Putz: «Beauty Days» für die Dorfkirche

Auch eine Kirche braucht Strom. Damit dieser fliesst, müssen die Kabel in der Bartholomäus-­Kirche nach 50 Jahren ­ausgewechselt werden. Um die Sanierung zu…
Münchenstein01.05.2024

Sein Ausgleich liegt im Neuen

Der Münchensteiner Architekt Rolf Stalder übergibt sein Restaurant Gartenstadt in neue Hände. Der umtriebige Unternehmer will keine ruhige Kugel schieben,…