«Die Farbe hat ein Eigenleben»

Das Goetheanum zeigt unter dem Titel «Form aus Farbe» das Lebenswerk der Künstlerin Elisabeth Wagner.

Erinnerungen: Dem Wochenblatt erzählt die 97 Jahre alte Elisabeth Wagner Bruchstücke aus ihrem bewegten Leben.
Erinnerungen: Dem Wochenblatt erzählt die 97 Jahre alte Elisabeth Wagner Bruchstücke aus ihrem bewegten Leben.

Elisabeth Wagner-Koch ist 97 Jahre alt und blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Die Malerin, Dichterin, Eurythmistin, Lehrerin und Autorin verbringt ihre Zeit meist in ihrem heimeligen Haus am Brosiweg, denn ihre körperlichen Kräfte haben nachgelassen: «Meine Augen sind nicht mehr die besten. Aber schliesslich bin ich fast 100. Das ist schon etwas», sagt sie mit einem sinnhaften Lächeln auf dem Gesicht. Ihr künstlerisches Werk aus sechs Jahrzehnten ist derzeit an der Ausstellung «Form aus Farbe» im Goetheanum zu sehen.

Das ist kein Zufall, denn ihr Leben war schon in jungen Jahren von der Anthroposophie geprägt. Im Alter von 27 ist sie per Autostopp mutterseelenallein aus dem zerbombten Nachkriegsdeutschland nach Dornach gekommen, mit 40 Mark in der Tasche und dem Willen, mehr über die Lehren Rudolf Steiners zu erfahren. Bittet man Frau Wagner, etwas von früher zu erzählen, erscheint wieder dieses Lächeln auf ihrem Gesicht und sie sagt: «Das waren noch Zeiten.»


Der Krieg und die Reise nach Dornach
Elisabeth Wagner-Koch wurde 1923 auf einem Bauernhof im Norden Deutschlands geboren: «Die Kindheit auf dem Land hat mich geprägt. Ich bin nie ein Stadtmensch geworden.» Ihre Schulzeit und damit die Kriegsjahre erlebte sie mit ihrer Mutter in Hannover. Als sie davon erzählt, verfinstert sich ihr Gesicht: «Der Krieg, die Bomben, die Schule. Wenn man es nicht erlebt hat, kann man sich kaum vorstellen, wozu Menschen im Stande sind. Diese Erinnerungen sind noch vollständig präsent.» Trotz des Krieges war es in Hannover, wo sich ihre Begabung mehr und mehr entfaltete: «Vieles mochte ich an der Schule nicht. Aber das Malen gefiel mir von Anfang an.»

Ihr künstlerischer Weg begann mit einer Bildhauerausbildung. Das Studium von Farbvorträgen Rudolf Steiners führte sie schon damals zu der Frage: «Wie entsteht aus der Farbe die Form?» Die Antworten darauf suchte sie in Dornach. Über ihre Autostopp-Reise durch das Nachkriegsdeutschland in die Schweiz sagt sie, wieder lächelnd: «Der Weg war etwas weit, deshalb musste ich unterwegs in Kuhställen übernachten.»


Mentor und Ehemann Gerard Wagner
Ein Gespräch mit Frau Wagner braucht Zeit, nicht immer hat sie gleich eine Antwort parat. Spricht man sie aber auf den Titel der aktuellen Ausstellung an, schliesst sie die Augen, beginnt zu erzählen und begleitet ihre Worte mit der Gestik einer Dirigentin: «Die Farbe hat einen Ausdruck, einen Impuls, sie hat ein Eigenleben. Die grosse Frage in der Malerei ist: Wie entsteht aus der Farbe eine Form? Dazu muss ich spüren, was eine Farbe mit mir macht, in mir auslöst. So kann eine Form aus der Farbe hinaus entstehen.»

Ihren künstlerischen Mentor, Wegbegleiter und späteren Ehemann Gerard Wagner lernte sie nach ihrer Ankunft in Dornach kennen: «Bei ihm habe ich gelernt, meine Empfindungen zu stärken, weiterzuentwickeln. Sie sind entscheidend, um das Eigenleben der Farben zu spüren.» Das Studium der Malerei bei Gerard Wagner führte unter anderem zur Begründung einer gemeinsam geleiteten Malschule. Nach seinem Tod 1999 baute sie das Archiv für die über 5000 Bilder, Zeichnungen und Manuskripte auf, das heute dem Gerard-und-Elisabeth-Wagner-Verein übergeben ist. Auch wenn ihre körperlichen Kräfte nachgelassen haben, freut sich Frau Wagner quasi von zu Hause aus über das Interesse an ihrer Ausstellung. Auf die Frage, was die Besucherinnen und Besucher an ihrer Ausstellung erwartet, sagt sie lachend: «Das kann ich Ihnen nicht sagen. Gehen Sie hin und finden Sie es heraus.» Die Ausstellung ist bis zum
7. März 2021 zu sehen.

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