Mit Hightech gegen Landminen

Die Stiftung von Urs Endress forscht an Drohnen, die zur Minensuche eingesetzt werden. Bis in einem Jahr sollen die ersten erfolgreich über vermintes Land geflogen sein.

Treibt die Drohnen-Technologie voran: Urs Endress aus Arlesheim.  Foto: Fabia Maieroni
Treibt die Drohnen-Technologie voran: Urs Endress aus Arlesheim. Foto: Fabia Maieroni

Jede halbe Stunde wird ein Mensch von einer Landmine verletzt. Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge sind heute über 110 Millionen Landminen in über 70 Ländern der Welt verlegt. Verletzungen durch Minen sind verheerend und die oftmals armutsbetroffene Bevölkerung hat kaum Mittel für die Versorgung von Verletzten. Dies gab 1999 den Anlass dazu, ein internationales Abkommen über das Verbot von Tretminen zu erlassen. Mit der Ottawa-Konvention unterschrieben 164 Länder, auf den Einsatz von Landminen zu verzichten – nicht ratifiziert wurde die Konvention unter anderem von den Grossmächten USA, Russland und China. Die vor 1999 verlegten Landminen werden heute mit verschiedenen Methoden aufgespürt: mit Metalldetektoren, mit Hunden und sogar mit Ratten. Seit wenigen Jahren werden auch Drohnen zur Minensuche eingesetzt.


Soziales Engagement liegt in der Familie
Einer, der die Drohnen-Technologie stark vorantreibt, ist Urs Endress aus Arlesheim. Der studierte Maschinenbauer war 20 Jahre lang Geschäftsführer von Endress+Hauser Frankreich, dem französischen Ableger der Endress+Hauser-Gruppe in Reinach, und präsidiert diverse Stiftungen. «Mein Vater sagte immer «Du musst einen halben Tag in der Woche für etwas anderes arbeiten als für die Firma. Und ab 60 muss es mindestens ein Tag sein. Das setze ich genauso wie meine Geschwister und Schwägerinnen um», erklärt Endress sein Engagement.
Zum ersten Mal mit Landminen beschäftigt hat sich das Gründungsmitglied vom Rotary Club Arlesheim, als der Club das Projekt «Mine-ex» lancierte, das Minenopfer unterstützt und ein weltweites Minenverbot fordert. «Als ich mich mit dem Projekt befasste, musste ich feststellen, dass es immer mehr Menschen gibt, die aufgrund einer Minendetonation eine Prothese benötigen.»

Vor vier Jahren gründete der heute 67-Jährige die «Urs-Endress-Foundation», die die Räumung von verminten Feldern mittels Drohnen vorantreiben will. «Auslöser war das Schicksal eines Jungen, der täglich mit seinem Esel durch ein vermintes Feld laufen musste, um Wasser zu holen. Die Kinder wissen in der Regel genau, welchen Weg sie gehen müssen, doch der Esel wollte wohl ein paar Meter abseits grasen. Der Junge lief dem Esel hinterher und trat auf eine Mine – er verlor sein Bein. Da wusste ich: Da muss man etwas dagegen unternehmen.»


Drei Universitäten arbeiten am Projekt
Bei Recherchen zu Möglichkeiten der Minensuche stiess Urs Endress auf Radarmikrowellen, die in den Boden eindringen und ein Bild des Untergrundes liefern. «Das Gerät, das in der Regel dazu verwendet wird, sieht aus wie ein Rasenmäher und muss von einer Person am Boden bedient werden. Wird eine Mine übersehen, so ist ein Menschenleben gefährdet», führt Endress aus. So entstand die Idee, ein Radarmessgerät zu entwickeln, das leicht genug ist, um auf einer Drohne Platz zu finden und dazu wenig Energie benötigt – so wenig, dass es batteriebetrieben funktioniert. Der Stiftungsgründer ging auf die Universität und Fachhochschule Ulm zu, mit denen die Endress+Hauser-Gruppe bereits zusammenarbeitet.

Miteinbezogen in die Forschung wurde auch die Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, mit der Urs Endress durch sein Präsidium der Stiftung zur Förderung der FHNW eng verbunden ist. 2015 erarbeitete eine Forschergruppe eine Machbarkeitsstudie und kam zum Schluss: «Es ist ein Hochrisikoprojekt, aber es könnte funktionieren.» Die Studie stellte Endress daraufhin den Vereinten Nationen und dem Internationalen Roten Kreuz in Genf vor. Dort war man begeistert von der Idee – entsprechende Gelder konnten die Institutionen jedoch nicht zur Verfügung stellen. «Da dachte ich an den Spruch von meinem Vater ‹Wenn du eine helfende Hand suchst, schau ans Ende deines Armes›.»
Inzwischen arbeitet auch die ETH Zürich am Projekt mit. Die Forscher verfügten über grosses Know-how über Drohnen, sagt Endress, sie seien wahrscheinlich sogar führend in der Forschung.


11 von 12 Minen werden gefunden
Eine Drohne, mit der Minen aufgespürt werden, fliegt etwa 20 bis 30 Meter über dem Boden und macht in einem ersten Schritt Fotos vom Gelände. Eine Software erstellt anschliessend aufgrund der Fotos ein Oberflächenprofil, bei dem Bäume, Felsen und Ähnliches dargestellt werden. Daraus ergibt sich der Flugplan für die Drohne, die dann eine unglaubliche Datenmenge von etwa zehn Gigabyte an Informationen über das Gebiet sammelt. Diese Daten werden über Nacht in einem Schnellrechner verarbeitet – so kann man Kontraste feststellen und herausfinden, ob es sich um eine Büchse, einen Stein oder eben um eine Mine handelt. Zusätzlich arbeitet das Forscherteam an einem Metalldetektor, der die Radartechnologie ergänzen soll. Auch der Einsatz von Wärmebildkameras wird aktuell untersucht. Urs Endress ist überzeugt, dass die Kombination aus verschiedenen Technologien äusserst erfolgreich sein wird. «In der Regel wissen wir, welche Art von Minen verwendet werden und wie tief diese vergraben sind. Sie wurden meist in regelmässigen Abständen verteilt. Wenn wir eine Mine finden, ist es sehr wahrscheinlich, dass es noch mehr davon geben muss», erklärt Endress.

In Kolumbien, Afghanistan, Irak und eventuell Tschad will Urs Endress seine Drohnen zum Einsatz bringen. «Wir sind noch immer in der Entwicklungsphase, ungefähr 200 Flüge haben wir bisher im Militärgebiet der Deutschen Bundeswehr und der Schweizer Armee gemacht. In Sandgebieten sind unsere Drohnen sehr erfolgreich: Von 12 vergrabenen Minen finden wir 11. Für den Einsatz bei überwachsenem Boden müssen wir noch weiterforschen.»


Symposium soll Zusammenarbeit fördern
Alle zwei Jahre organisiert der Stiftungsgründer ein Symposium, an dem sich die verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen, die auf ähnlichem Gebiet arbeiten, vergleichen können. So werde die Forschung vorangetrieben und die Hochschulen könnten vom gegenseitigen Austausch profitieren, ist Urs Endress überzeugt. Seine Vision: Bis in einem Jahr sollen die ersten Drohnen in den entsprechenden Ländern erfolgreich über vermintes Land geflogen sein – und viele Menschen vor Verletzungen bewahrt haben.
www.ue-stiftung.org

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