«Wer sich an Regeln hält, ist willkommen»
In den Naturräumen werden nicht nur mehr Menschen gezählt, sondern auch mehr Regelverstösse. Die Kontrollen werden in der Folge ausgedehnt. Aktuell stehen die Hundehalter im Fokus.

Seit den Corona-Massnahmen halten sich deutlich mehr Menschen in der Natur auf als zuvor. Die Ranger des Naturschutzdiensts Baselland der 39 Hektar grossen Reinacher Heide zählten im letzten Frühjahr fünfmal mehr Personen als in der Vergleichszeit des Vorjahres. «Es waren weit über 12000 Menschen», sagt Yannick Bucher, leitender Ranger vom Naturschutzdienst Baselland. Die Regelverstösse schnellten in die Höhe: Waren es 2019 rund 100 Ermahnungen, welche die Ranger aussprachen, kamen sie im Jahr 2020 auf über 1000. «Problematisch war vor allem das zahlreiche Missachten des Badeverbots – mit negativen Folgen: Der Eisvogel war in seiner Ruhe gestört und konnte nicht brüten», moniert Bucher. Im Januar kam es zu einem ungewöhnlichen Phänomen: Wegen der Schliessung von Skigebieten und den winterlichen Verhältnisse verirrten sich Langlaufende in das schneebedeckte Naturschutzgebiet vor den Toren Basels.
Ausserdem sorgen immer wieder Hunde für Stress bei den Wildtieren, weil sich die Halter auf der Reinacher Seite nicht an das Hundeverbot halten oder auf der Arlesheimer Seite die ganzjährige Leinenpflicht missachten. Jetzt, wo die Sonnenstrahlen wieder wärmen, die Blütenpracht erwacht, die Amphibien laut quaken und die Vögel um die Wette singen, stellen sich die Ranger erneut auf viele Besucher ein. Man sei sich dem Bedürfnis der Erholungssuchenden bewusst. «Wer sich an die Regeln hält, ist herzlich willkommen. Natur und Tiere lassen sich sehr gut vom Weg aus beobachten», erklärt Bucher. Die Kapazität für Kontrollgänge sei erhöht worden. Dabei setze man aber weiterhin auf Aufklärung und Sensibilisierung. Man greife erst zum Mittel der Strafe, wenn die Menschen uneinsichtig seien. Viele Menschen hielten sich in der Reinacher Heide auf, die sonst nicht in ein Naturschutzgebiet gehen würden. Der Informationsbedarf sei gross. «Bei Schadensfällen ist klar, dass wir Anzeige erstatten, dies gilt vor allem, wenn zum Beispiel Hunde Rehkitze oder Bodenbrüter stark stören oder gar verletzen», betont Bucher.
Diskussionen um Leinenpflicht
Die Hundehalter stehen derzeit aber nicht nur im Naturschutzgebiet in der Pflicht, den Wildtierschutz ernst zu nehmen. Bis Ende Juli dürfen sie im Wald und in Waldnähe ihre Vierbeiner (egal ob gross oder klein) nicht von der Leine lassen. Diskussionen, die Leinenpflicht auf das ganze Jahr auszudehnen, gab es in den Gemeinden der Agglomeration in den letzten Jahren immer wieder, in Arlesheim hat die Gemeindeversammlung vor zehn Jahren entsprechende Pläne abgeschmettert – bis auf einige Ausnahmen, die signalisiert sind. Wer in der Ermitage den Hund nicht an der Leine führt, riskiert eine Busse von mindestens 100 Franken. Gestützt auf das Reglement Ruhe und Ordnung kann der für den Ordnungsdienst zuständige Alexander Saladin vor Ort den Einzahlungsschein ausstellen, während der Wildhüter sowie Drittpersonen bei der Gemeinde ein entsprechendes Verfahren einleiten müssten. «Es hat schon Zwischenfälle gegeben und Bussen kommen vor», bestätigt Saladin, betont aber: «Die meisten Hundehalter befolgen die Regeln.»
Das bestätigt auch die Gemeindepolizei in Aesch, die die Einhaltung der Leinenpflicht kontrolliert und ebenfalls vor Ort mit 100 Franken büssen kann. Zusätzlich würden Jäger Personen zur Rede stellen, die sich nicht an die Regeln halten. «Aesch nimmt die Anliegen des Wildschutzes sowie den Schutz von Feldern und Wiesen ernst und hat an den stark frequentierten Waldeingängen grosse Infotafeln anbringen lassen», erklärt der für Verkehr und Sicherheit zuständige Gemeinderat Stephan Hohl und erinnert daran, dass «ein Hund grundsätzlich immer unter Kontrolle gehalten werden muss». Die Hunde sollen die Feldwege nicht verlassen. «Oftmals muss zum Schutz der Felder und des privaten Eigentums – Neusaat, Kot auf den Wiesen – mit den Hundebesitzerinnen und -besitzern das Gespräch gesucht werden.» Tendenz steigend. «Während der Lockdowns und an sehr schönen Tagen haben die Anzahl der Hundespaziergänge sowie der Hundekot in den Behältern stark zugenommen», führt Hohl aus.
Wildtiere vor Hunden schützen
Sich die Leinenpflicht zu Herzen zu nehmen, das ist auch der Appell der Stiftung Tier im Recht, denn in der Brut- und Setzzeit seien die Jungtiere eine leichte Beute. «Auch wenn die Hunde nicht zubeissen, kann es bei den gehetzten Tieren zu einem Herzstillstand oder einem Abort kommen. Ausserdem besteht die Gefahr, dass die Wildtiere (und allenfalls auch der Hund) in einen Zaun oder auf die Strasse laufen oder dass Jungtiere von ihren Müttern getrennt werden.» Die Stiftung Tier im Recht «bittet alle Hundehalter, sämtliche notwendigen Massnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass ihre Hunde Wildtiere jagen oder anderweitig stören – auch wenn keine kantonale Leinenpflicht besteht».
Jeder Hund sei ein potenzieller Jäger – unabhängig von seiner Grösse und seinem Alter. Auch aus hundeerzieherischer Sicht sei es ratsam, das selbst belohnende Jagdverhalten gar nicht erst aufkommen zu lassen, hält die Stiftung in ihrem Aufruf fest. Die Verwendung einer langen Schlepp- oder Flexileine sei zulässig, solange der Hundehalter diese festhält und den Hund damit kontrollieren kann. Auf diese Art und Weise könne den Hunden trotz Leinenpflicht ein gewisser Bewegungsfreiraum geboten werden.
Die Sensibilisierung zeigte in den letzten Jahren Wirkung. Der Statistik des Kantons Basel-Landschaft ist zu entnehmen, dass die Anzahl Rehe, die durch Hunde ihr Leben verlieren, im Kanton in den letzten 20 Jahren kontinuierlich gesunken ist. Im Jahr 2001 waren es 70 Vorfälle, 2020 noch 17. Hoch ist nach wie vor der Verlust von Rehen auf der Strasse (rund 200 pro Jahr) und durch landwirtschaftliche Maschinen (über 100 pro Jahr).