Das launige Orakel des Waldbruders
Was bewegt das Birseck und das Dorneck im Jahr 2014? Um der Leserschaft das voraussagen zu können, hat das «Wochenblatt» mit dem hellsichtigen Waldbruder aus der Ermitage gesprochen. Für das exklusive Interview ist er kurzzeitig aus seinem Exil zurückgekehrt (*).

Wochenblatt: Lieber Waldbruder, wie steht es ums Birseck und um das Dorneck im nächsten Jahr?
Waldbruder: Solange ich hier in meiner Einsiedelei lebe, ertrink ich wenigstens nicht in Schwermut. Die menschlichen Narreteien werden ungeachtet der angeblichen Fortschritte immer grösser. Alles ist im Wandel. Beständig ist bloss die Unbeständigkeit. Es gilt: Heute hui, morgen pfui! Birseck, Dorneck, heute keck, morgen Dreck!
Ist das nicht ein zu hartes Urteil, geschätzter Waldbruder? Wie steht es denn mit den einzelnen Gemeinden? Etwa mit Münchenstein?
Waldbruder: Ach, dies furchtbare Pflaster; dort stehn die Busmissionare vor unmöglicher Mission. Die Sünder am Berg liessen sich vom gelben Apostel nicht bekehren, obwohl er sie nun über ein halb Jahr täglich heimsuchte. Kaum ein Schuldiger, der für Ablass bezahlen wollte, damit seine Seele in den Himmel springt. So ward das kein lohnend Geschäft für den Sankt Andreas, Schutzherr des öffentlichen Verkehrs in unserem Baselbieter Land. Auch ein letzter, verzweifelt Versuch seiner Jünger den 58er per Paragraf 68 zu retten, war zum Scheitern verdammt. Aber noch immer stehen sie an der letzten obsolet gewordenen Bushaltestelle im Bruckfeld und beten für ein Wunder. Noch eher wird der Strassenvogt sein altes Dorf entschleunigen und zwischen Kutschentränke und Friedhof eine Flaniermeile zaubern. Wenn er denn bloss genug vom Zehnten übrig hätt, den er seinem Volk jährlich schröpft.
Klamme Kassen plagen heuer viele Gemeinden. Aber manche haben noch ganz andere Nöte. Etwa Aesch, das von einem Skandal erschüttert wird, das jedes Loch in der Kasse in den Schatten stellt…
Waldbruder: Im Weindorf bigott ist es wahrlich zum Brüelen. Nie würde ich meine Klause gegen einen Platz im Betagtenheim tauschen wollen, das auch im 2014 von fürchterlichen Wirren heimgesucht wird. Wer weiss, was sich da alles thummelt. Wohl aber verlassen nun alle das sinkende Schiff, selbst die ehrbaren Herren Stiftungsräte versuchen noch, ihre Haut zu retten. Apropos Retten: Eine wohl geachtete Magistratin wird als Retterin in der Not zur Stelle sein.
Meinst Du etwa, Marianne Hollinger wird im Alterszentrum «Im Brüel» alles in Ordnung bringen?
Waldbruder: Ja wer, wenn nicht sie? Als neue Mutter Oberin Marianne wird sie den Landratszirkus, dessen Dompteurin sie ja ist, flugs im Betrieb einspannen, womit der Exodus der Schwestern ausgeglichen wird. Zudem hat sich die gute Marianne im vergangenen Jahr in Liestal bereits als hervorragende Aktivierungstherapeutin ausgezeichnet. Zumal die heilige Sabine von Pfeffingen ihre schützende Hand über ihr Schicksal legt, werden die Früchte des Zorns in Aesch schon bald verflogen und der Friede wieder eingekehrt sein.
Etwas allzu friedlich scheint es mir gerade auch in Reinach zu und her zu gehen. Trügt der Schein?
Waldbruder: Mitnichten. Nachdem der Baulärm verflogen ist, könnte man meinen, dass in der Stadt vor der Stadt wieder Ruhe eingekehrt sei. Eher wie in einem Dorf geht es dort bisweilen zu. Nicht einmal mehr dieser weltbekannte Handballwettbewerb findet noch statt. Der Stadtvater zweifelt nicht ohne Grund daran, Freiwillige zu finden, die das grosse Stadtfest im Folgejahr organisieren wollen. Da sieht nun aber jener Irrwisch seine Stunde gekommen, der unlängst mit sonderbar lauten Klängen die katholischen Kirchenmauern im Dorf zum Erzittern brachte. Aber der führt einen ganz anderen Plan im Schilde.
Oha, da wollen wir mehr wissen!
Waldbruder: Er wird dem Stadtfürsten vorschlagen, ein Stadtfest schon zu ehren der verschönerten Flaniermeile schon in diesem Jahr steigen zu lassen. Urs und seine Hintermänner stimmen dem Plan zu und billigen gar die Austragung der allerersten Schwellenrally, die als würdige Nachfolge des Mepha-Cups die versiertesten Petroleumkutschenfahrer der Welt über die grösste Temporeduktionswelle dies- und jenseits der Birs fliegen lassen wird. Der Anlass wird ein riesiger Erfolg und trägt dem Teufelskerl Stöcklin die Sympathie der ganzen Stadt ein. Womit er der Verwirklichung seines Geheimplans einen grossen Schritt näher gekommen ist. Denn zwei Jahre vor den Wahlen scheint der Stadtfürst beim Volk immer mehr in Vergessenheit zu geraten, während der ausgezogene Sohn der Stadt seine triumphale Rückkehr durch die ganz grosse Türe plant.
Wie sieht denn die Zukunft für Arlesheim aus?
Waldbruder: Was heisst Zukunft? Die Gegenwart ist Posse genug. Früher galts, die Strassen von Hindernissen freizuhalten, heute werden sie damit versperrt. Rollen Stein’ am Stollenrain? Nein, aber daselbst hat der Strassenvogt sein Meisterstück vollbracht. Es wird nicht mehr lange gehen, bis die ersten Drahtesel mit Petroleumskutschen kollidieren, weil es wegen Ausweichmanövern zu einem Unfall kommt. Nein, die Arleser sind – was die Wegmacherei angeht – nicht uf dr Höchi! Da haben grüne Salatköpfe eine abstruse Idee geboren. Derweil wir schon beim Gebären sind, kommt mir in den Sinn, dass es für den Domhof eine neue Verwendung geben wird.
Entschuldigung, wie kommst du zu diesem merkwürdigen Themensprung?
Waldbruder: Sintemal die Laufentaler schon zu Gericht nach Arlesheim ziehen müssen, wird ein Geburts-Klinikum beim Dom von vortrefflichem Nutzen für die Laufentalerinnen, die sich hiervon ihrer Leibs-Bürde entlasten können. Es kommt zur manierlichen Erfahrung, dass man nach der Entbindung den neuen Erdenbürger gleich feierlich im Dom taufen lassen und das Sorgerecht – und bei Bedarf die Vaterschaft – im Gericht nebenan abklären kann.
Aber wer wird denn auf diese Idee überhaupt kommen?
Waldbruder: Das überlasset getrost der Ita Wegman Klinik! Die wird gleich ein «GTS»-Gesamtpaket anbieten: Geburt, Taufe, Sorgerecht. Ein magistraler Einfall, fürwahr! Damit wird auch der Grund mitgeliefert, den Stollenrain von seinen schwachsinnigen Verengungen zu befreien, damit es nicht in den blockierten Petroleumskutschen zu vorzeitigen Entbindungen kommt. Soweit zu Arlesheim, was durch Buchstabenumstellung «Armes Heil» ergibt.
Wie sieht es denn fürs schöne Dornach aus?
Waldbruder: Ach, in dieser zukünftigen Steuerhölle, wo Oberteufel Schlatter den Dreizack schwingt, dereinst- malen da war, wo jetzt das Neue Theater am Bahnhof zu wachsen beginnt! Daher o versucht man die Stimmung aufzuhellen, indem man im weitläufigen Vereinsjubeljahr den Anerkennungspreis dem richtigen Mann überreicht. Der erste Preis ging ja an Stefan, das Schindelholz, der den Fussball repräsentiert; der nächste wird pro forma an einen Mann der schönen Künste gehen. Kultur muss sein!
Was heisst da pro forma? Das sieht ja fast nach einem Schwindel aus?
Waldbruder: Der Preis wird an Franco Riccardi gehen, den Förderer des Belcanto. Insgeheim wird jedoch nicht die Muse bekränzt, sondern einmal mehr König Fussball. Denn im Gigersloch ist doch den Dornachern – mit Verlaub gesagt – jeder prominente Kicker wichtiger als eine rachitische Sopranistin. Und Franco hat auch noch das beste Preis-Leistungs-Verhältnis auf dem Teller. Das ist Kultur! Damit das Kloster bei den Dornachern in solcher Gunst stünde, müsste es im Refektorium drei Fussballtische und im Garten ein Spielfeld zur Verfügung stellen.
Genug, genug, das hört sich ja wirklich höllisch morastig an. Und in Gempen und Hochwald. Was wird das Jahr dort bringen?
Waldbruder: Seit der neusten Ausgabe von «Dr Schwarzbueb» haben die beiden Gemeinden Blut geleckt, was ihre Theateraktivitäten angeht, dergestalt, dass ein fröhlicher Wettstreit um die beste Laienbühne im Dorneck entbrennt. In Gempen wird man den Anfang machen mit «Die Goldwurst von Sevilla», dem Debutstück von Christian Vögtli. Karl Hartmann wird in Hochwald nachziehen mit der Komödie «Mein Name sei Buttenmost». Politisch werden die Dorfkönige und ihre Untertanen zusammenrücken, weil die gemeinsame Konkurrenz zu den Niederungen des Birstals die Gemüter schicklich aneinanderschweisst. Heilige dörfliche Einfalt, wie bist Du doch dem Agglo-Trübsinn überlegen!
(*) Waldbruder kehrt im Frühling zurück
Seit 2011 schon steht die Klause in der Ermitage leer. Der Zahn der Zeit setzte der über 220 Jahre alten Figur dermassen zu, dass sie aus dem Arlesheimer Landschaftsgarten entfernt werden musste. Im kommenden Frühling aber soll der Waldbruder, wie der Eremit im Volksmund auch genannt wird, zurückkehren – und zwar in Form einer originalgetreuen Kopie mit neuer Mechanik in seinem hölzernen Innern. Dank ausgeklügelter Automatik soll der «neue» Waldbruder wieder die Augen rollen können, wozu das von Holzwürmern beschädigte Original seit Jahren nicht mehr fähig war. Die Kosten für die Rekonstruktion belaufen sich auf rund 80000 Franken.