Wie Goldwein entsteht
Wer guten Wein mag, kann ihn auch selber machen. Es braucht dazu lediglich viel Leidenschaft, stetige Weiterbildung, und einige Investitionen. Zwei Liebhaber aus Nuglar machen es vor.
Wein mitten in Nuglar? Kann das gutkommen? Ja, ja und nochmals ja! Was Christine Stingelin und Hans Peter Schmid da in 3000 Flaschen abfüllen, ist nicht nur trinkbar, sondern wirklich gut. Eigentlich gar ausgezeichnet — mit zwei Goldmedaillen nämlich. Soeben hat ihr Rotwein Nugerolo am internationalenPIWI-Wettbewerb zum zweiten Mal die Goldmedaille erhalten, mit 91 von 100 möglichen Punkten. Dabei stehen Stingelin und Schmid erst ganz am Anfang ihrer Winzerkarriere. «Die ersten Rebstöcke haben wir vor acht Jahren gepflanzt», erklärt Stingelin, «und bereits drei Jahre später den ersten Wein gekeltert.»
Bei 1700 Rebstöcken auf einer halben Hektare Land versteht es sich von selbst, dass das ganze Abenteuer gut vorbereitet sein will. «Ich habe bereits 2006 einen Rebbaukurs gemacht», sagt Schmid. Und seither bilden sich beide stetig im Rebbau und in der Weinkellerei weiter. Auch den Weinkeller mussten sie erst im Erdgeschoss ihres Hauses einrichten; und zwar im Lagerraum des ehemaligen Coop-Ladens am Dorfplatz. Mächtige Ablaufrinnen, Fliesen am Boden und an den Wänden, Abbeermaschine , Presse, Pumpe, Stahltanks, Eichenfässer, Abfüllgerät, um nur einige der nötigen Investitionen zu nennen. Dabei machen sie nicht nur Rotwein, sondern auch Weisswein und Rosé.
Vor dem Genuss kommt der Schweiss
Das alles tönt nach sehr viel Arbeit. Wieso tun die beiden sich das an? «Das fragen wir uns manchmal auch», lacht Stingelin. Beide trinken gerne guten Wein und sind gerne in der Natur. «Es ist eine ganz tolle Arbeit und der Rebberg hat eine wunderschöne Lage», ergänzt sie.
Und was ist das Geheimnis dahinter? Wie schaffen es zwei Neukömmlinge, solche Spitzenweine herzustellen? Es ist wohl eine Kombination von vielen, sorgfältig gepflegten Details. Der Rebberg ist steil nach Süden gerichtet und fängt das Maximum an Sonnenwärme ein. Weiter geht es mit den Rebstöcken. «Wir haben sorgfältig pilzwiderstandsfähige Sorten ausgewählt, die gut schmecken und zu Nuglar passen», erläutert Schmid. Züchter der Hauptsorte Cabernet Jura ist Valentin Blatter aus Soyhières, der seine Reben in die ganze Welt verkaufen kann.
Stärken ausbauen
Stingelin und Schmid pflegen und hegen ihre Trauben mit Leidenschaft. Blätter, die den Trauben vor der Sonne stehen, schneiden sie erbarmungslos weg. Beeren, die vom Hagel oder von den Wespen verletzt werden, klauben sie in mühevollster Kleinarbeit heraus. Schmid erklärt die Vorteile dieser Schinderei: «Das erlaubt es mir, die Pflanzenschutz-Spritzungen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Und es kommen keine angefaulten Beeren in den Wein!» Diese sorgfältige Arbeit geht im Weinkeller weiter. In grossen kommerziellen Weinkellereien wird der Rebensaft mehrmals über grosse Distanzen gepumpt. Damit wird er zerschlagen und man muss wieder Schwefel beifügen. Im Nugerolo-Weinkeller hingegen sind die Wege extrakurz. Sogar die Verkaufswege sind minimal: Zu haben ist der Nugerolo im Volg um die Ecke.
Sobald sie wieder eine chemische Weinanalyse vor sich haben, brüten Stingelin und Schmid über die vielen Kennzahlen. Klar experimentieren auch sie gerne. Doch beide wissen genau, dass man am meisten Erfolg hat, wenn man sich auf seine Stärken konzentriert. Sie versuchen erst gar nicht, die grossen italienischen Weine nachzubauen. Sie sind Nuglarer und machen Nuglarer Wein. Einen grossen Nuglarer Wein, um genau zu sein.