So gehen die Flurnamen nicht «s Bach» ab

Die jubilierende Pfadiabteilung St. Jörg schenkte der Bevölkerung zwei informative und unterhaltsame Stunden mit Dr. Markus Gasser von der SRF-Sendung Schnabelweid. Er entschlüsselte vor Ort zahlreiche Flurnamen.

Unglaublich: 180 Litzler und zugewandte Orte staunten, was Dr. Markus Gasser alles aus Flurnamen herausholte. Foto: Roland Bürki
Unglaublich: 180 Litzler und zugewandte Orte staunten, was Dr. Markus Gasser alles aus Flurnamen herausholte. Foto: Roland Bürki

Eigentlich geht es heute um ein Jubiläum», wandte sich Martin Allemann, Präsident der Altpfadi Kleinlützel, am vergangenen Samstagnachmittag in seiner Begrüssung an 180 erwartungsvolle Damen, Herren und Kinder. Und eigentlich seien es zwei Jubiläen, die 75 Jahre der Pfadiabteilung St. Jörg und die erstaunlicherweise trotz des Namens «nur» 50 Jahre der Altpfadi Kleinlützel. «Alles Wissenswerte dazu erfahren Sie im brandneuen Pfadi-Jubiläumsbuch (das Wochenblatt berichtete), dessen Vernissage heute über die Bühne geht», fügte Allemann bei. Der heute offerierte Flurnamenrundgang mit dem Germanisten und Flurnamenforscher Dr. Markus Gasser, bekannt von der SRF-Sendung Schnabelweid, sei ein Geschenk an das Dorf für die Jahrzehnte des Vertrauens und des Goodwills. «So viele Leute zu meiner ersten Demonstration für und nicht etwa gegen die Kleinlützler Flurnamen machen mich schon etwas nervös», bekannte Gasser, um gleich danach festzustellen, dass «Chläilitzel» oder eben nach einigen Zuhörerreaktionen doch eher «Chlilitzel» wahnsinnig viele und gute Flurnamen besitze. Gasser teilte sie auf in interessante oder versteckte Flurnamen und in so genannte «Souchäibe», denen rein gar nichts zu entlocken sei. Mit Blick auf den so genannten «Ziegelstäi», das von ihm mitverfasste Buch über die Flur- und Siedlungsnamen der Amtei Dorneck-Thierstein, sprach Gasser von knapp 4000 gesammelten Belegen über Kleinlützel, die zu 800 Namen gehörten. «Rund 400 davon sind noch lebendig, die andern sind verschwunden», so der Experte. Nicht nur die Sprache verändere sich, sondern auch die Flurnamenlandschaft.

«E Chratte» voll Flur- und Siedlungsnamen

Als Beispiel einer Namensdeutung auf Grund von Gesprächen und lokalhistorischen Schriften nannte der Namenforscher «dr siess Winggl», wo einst eine Bäckerei stand, die längst nicht mehr existiert. Interessant auch, die in Richtung Elsass zunehmende sprachliche Entrundung, wo ö zu e und ü zu i wird. Wie im Wort Lützel oder eben Litzel, dem mittelalterlichen Wort für «klein». Die erstmals 1194 urkundlich erwähnte Lutzel-A(a), sei nicht anderes als der kleine Bach, erklärte Gasser. Warum man aber in Kleinlützel zur Lützel «s Bach» sage, bleibe ein Geheimnis und damit eine «durchaus positive» Eigentümlichkeit. Zum sehr häufigen Auftreten von «Hollen» oder verständlicher Halde, steiler Abhang etwa in Dorfholle, Lützelholle, Birtelholle, Challholle usw. meinte Gasser, das verdeutliche prägnant die Unebenheit des Gemeindebanns. «Bruschi» enttarnte er als aus der Mode gekommenes schweizerisches Dialektwort für Wasserfall und die oft auftretenden «Bifang, Bünte, Ischlag oder Ihegi» als ehemals umwundene (Ahd.: biwintan) eingehagte oder eingeschlagene Privatstücke, die nicht zur alten Dreifelderwirtschaft gehörten. Grosses Verwundern dann, als Gasser die «Schützenebnet» als klassische Schönrednerei eines versteckten Flurnamens bezeichnete, weil sie ursprünglich als «Bschissenebnet» ein betrügerisch erworbenes Grundstück darstellte. Beim «Surtel» schliesslich musste der Sprachforscher passen: «Das ist wieder einer dieser «Souchäibe», die wir nicht deuten können.»

Am Ende des zweistündigen Rundgangs hatte Gasser noch so so viele Namen in petto, meinte aber mit Blick auf Buchvernissage mit Kuchenbuffet: «Ich muss aufhören, bevor sie mich zum Dorf hinaus jagen». Der kraftvolle, wohlverdiente Applaus bewies ihm aber das Gegenteil.