Zögerlich kommt der Hirsch

Der Hirsch taucht ab und zu wieder im Schwarzbubenland auf. Während die Jäger ins Schwärmen geraten, machen sich die Förster Sorgen um den Wald.

<em>Bei uns eine rare Sicht: </em>Hirsch während der Brunft im Justistal (BE). Foto: ZVG
<em>Bei uns eine rare Sicht: </em>Hirsch während der Brunft im Justistal (BE). Foto: ZVG

Ein Hirsch! Ein Hirsch! In Breitenbach rennt ein Hirsch herum!», versichern jagdnahe Kreise. Jägerlatein? Oder doch eine Sensation? «Es ist durchaus möglich, dass er zurückgekehrt ist, denn in Kleinlützel löste schon mehrmals ein Hirsch die Fotofalle aus», erklärte der Solothurner Jagd- und Fischereiverwalter Marcel Tschan. Auch im Baselland habe es Hirsche. Allerdings seien seit Jahren immer nur einzelne Tiere gesehen worden, und noch nie eine Hirschkuh mit einem Kalb. Es seien meist jüngere männliche Hirsche, die auf Erkundungstour gehen.

Tschan geht davon aus, dass die Hirsche unserer Region aus den Vogesen einwandern. Es könnte aber auch sein, dass sie von Genf oder vom Emmental her kommen. Gehören denn Hirsche überhaupt in unsere Region? Ja, sagt Tschan klar. Früher gab es hier Hirsche. Doch um 1850 waren die Jurawälder ziemlich verlassen. Hirsche, Rehe, Gämsen und Wildschweine waren ausgerottet. Eigentlich in der ganzen Schweiz, mit Ausnahme einiger abgelegener Täler, wo sich Gämsen halten konnten.

Erst um 1900 sind die Hirsche wieder von Österreich her in die Schweiz gekommen. Es mag lange dauern, bis ein ganzes Hirschrudel eine neue Region erobert. Sind sie aber einmal etabliert, scheinen sie sich gut zu vermehren. «Vor 30 Jahren konnten im Kanton Bern jährlich nur ein Dutzend Hirsche geschossen werden. Mittlerweile sind es Hunderte», erklärt Tschan. Dürften die Schwarzbuben-Jäger denn einen Hirsch schiessen? «Nein, auch wenn es ein jagdbares Tier ist.» Bevor sich nicht eine stabile Population aufgebaut habe, erlaube der Kanton das Schiessen nicht.

Und der Wald?

Weniger Vorfreude auf die Hirsche kommt beim ehemaligen Kreisförster Martin Roth auf. Klar gehöre der Hirsch in unsere Region, doch man müsse aufpassen, dass sich die Population nicht zu stark vermehre. Hirsche können dem Wald schaden. Wie die Rehe auch verbeissen Hirsche junge Bäumchen oder zerstören sie, wenn sie das junge Geweih an ihnen fegen. Zudem schälen Hirsche auch Bäume bis zu einer Grösse von 30 Zentimetern, was sie absterben lassen kann. «Im Waadtland, wo es grosse Hirsch-Populationen hat, musste man feststellen, dass die Baumvielfalt leidet», so Roth. «Hirsche fressen die häufigsten Bäume wie Buche und Rottanne nicht so gerne.» Als Erstes fressen sie die seltenen Baumarten wie beispielsweise Ahorn, Weisstanne, Kirsche und Eiche. Das Problem sei, dass Hirsche nur schwer zu jagen seien. Denn über Nacht könnten sie grosse Strecken zurücklegen und mehrere Jagdreviere durchqueren. Die Gefahr sei deshalb gross, dass man ihrer nicht mehr Herr werde. «In Anbetracht der neuen Wildart braucht es ein grossräumiges Konzept über Kantonsgrenzen hinweg für die Bejagung des Hirsches», betont Roth.

Die kantonale Abteilung Jagd und Fischerei habe bereits 2011 ein kantonsübergreifendes Rothirschkonzept ausgearbeitet, so Tschan. Ziele sind, die Hirsche in der Kulturlandschaft zu integrieren, den Wildschaden tragbar zu halten und die Hirsche angemessen jagen zu können.