Der Schulhausneubau oder die Angst der regionalen KMU

Eine Totalunternehmung (TU) wird für den Bau des neuen Schulhauses allein verantwortlich sein. Die regionalen KMU befürchten, mit ihren Angeboten auf der Strecke zu bleiben.

Warum Totalunternehmung? Gemeindepräsident Dieter Künzli beantwortet die Fragen des Wochenblatts. Foto: Roland Bürki
Warum Totalunternehmung? Gemeindepräsident Dieter Künzli beantwortet die Fragen des Wochenblatts. Foto: Roland Bürki

Die Gemeinde Breitenbach erweitert ihre Schulanlagen. Damit dieses für die Region und die Gemeinde wichtige Projekt in hoher Qualität und im finanzierbaren Kostenrahmen erstellt werden kann, hat sich die Gemeinde nach gründlicher Evaluation für die Variante Totalunternehmung (TU) entschieden. Über die Gründe hat das Wochenblatt Gemeindepräsident Dieter Künzli befragt.

Breitenbach überträgt Planung und Schulhausneubau einer Totalunternehmung (TU) und kann selbst damit keine Aufträge vergeben. Warum?

Künzli: Das öffentliche Beschaffungswesen lässt öffentlich-rechtlichen Beschaffern nur einen kleinen Handlungsspielraum. Falls die Gemeinde als Bauherrin gegenüber den Gewerbebetrieben auftritt, sind wir dem öffentlichen Beschaffungsrecht unterstellt. Bei diesem muss ab einer Auftragssumme von 150000 CHF nach dem Einladungsverfahren ausgeschrieben werden, ab 250000 gilt die Ausschreibung nach dem GATT-/WTO- Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen in der EU und anderen Staaten, in der Schweiz am 1. Januar 1996 in Kraft getreten. Beim von uns gewählten Modell besteht für die Gemeinde nur ein Vertragsverhältnis mit der TU. Somit muss nur die TU gemäss öffentlichem Beschaffungsrecht ausgewählt werden. Alle anderen am Schulhausbau involvierten Unternehmen haben ein Vertragsverhältnis mit der TU. Diese schreibt Aufträge nicht aus, da sie nicht dem öffentlichen Beschaffungsrecht unterstellt ist. Bei GATT/WTO gilt zwingend, dass ausländische Unternehmen zugelassen werden und dass der günstigste Anbieter den Auftrag erhält. Beim von uns gewählten Modell muss das lokale Gewerbe nicht mit halb Europa konkurrieren und die Aufträge werden in der Schweiz vergeben.

Sprechen weitere Kriterien für die Variante Totalunternehmung?

Künzli: Ja, Termin- und Kostensicherheit sowie Ressourcen. Die TU erhält von der Gemeinde ein verbindliches Kostendach. Verzögerungen und Mehrkosten gehen zu ihren Lasten, andererseits profitiert sie von Minderkosten. Der knappe Terminplan hätte die vorhandenen Ressourcen bei der Bauverwaltung und dem Laiengremium Gemeinderat überfordert. So ist für letzteren das Geschäft weniger komplex, statt zahlreiche Verträge mit vielen öffentlichen Ausschreibungen musste der Rat nur noch eine Ausschreibung durchführen und es besteht nur ein einziges Vertragsverhältnis, dasjenige mit der TU.

Gerade dieses Vertragsverhältnis macht den regionalen KMU zu schaffen, sie befürchten, wie beim Schulhausbau im benachbarten Brislach aussen vor zu bleiben.

Künzli: An der GAB 2016 hat das heimische Gewerbe seine hohe Leistungsfähigkeit eindrücklich unter Beweis gestellt. Wir glauben an unser Gewerbe, es hat gute Chancen, Aufträge zu erhalten. Wenn das regionale Gewerbe zusätzlich seine Standortvorteile wie kurze Anfahrtswege mit entsprechend tieferen Transportkosten, schnellere Reaktion bei Problemen und Kenntnis der Verhältnisse ausspielt und Arbeitsgemeinschaften mit anderen regionalen Unternehmern bildet, haben ausserregionale Unternehmen einen schweren Stand. Am Neujahrsapéro des Gewerbevereins Lüsseltal (GVL) haben wir den Gewerbetreibenden geraten, dass sie sich nun aktiv bei den vier in der Auswahl stehenden TU präsentieren sollen. Das ist eine für das Gewerbe nicht ungewohnte Marketingaufgabe. Ausserdem sollten sie mit Blick auf das Arbeitsvolumen Arbeitsgemeinschaften bilden.

Was kann die Gemeinde für die regionalen KMU speziell tun?

Künzli: Am 18. Mai 2017 wird eine TU aus den vier auf der Gemeindehomepage aufgeführten TU ausgewählt und mit dem Bau beauftragt. Im TU-Vertrag steht, dass die Totalunternehmung bei allen zu vergebenden Arbeiten regionalen Unternehmern die Gelegenheit für Offerteingaben geben muss. Weitere Vergünstigungen wie einen Prozentzuschlag für regionale Unternehmer oder ein Mitspracherecht der Gemeinde bei der Vergabe können wir aus rechtlichen Gründen nicht eingehen, da sonst die Beschaffung wieder zur öffentlich-rechtlichen Submission mutieren würde. Ausserdem bleibt die Haftung unklar, wenn ein gegen den Willen der TU aufgezwungenes regionales Unternehmen pfuscht oder Mehrkosten verursacht. Wer zahlt da, die Gemeinde und damit der Steuerzahler? Könnten wir allfällige Zeitverzögerungen noch aufholen, wenn die dadurch benachteiligten Unternehmen klagen? Fragen über Fragen. Fazit: Der Gemeinderat ist allen Steuerzahlern gleichermassen verpflichtet, sowohl den natürlichen Personen (Einwohnerinnen und Einwohnern) als auch den juristischen Personen (Industrie, Gewerbe). Der Gemeinderat ist von der hohen Leistungsfähigkeit unseres Gewerbes überzeugt. Dieses ist auf juristisch zweifelhafte Vergünstigungen nicht angewiesen und kann selbstbewusst offerieren. Selbstverständlich werden wir die Vergabepraxis der TU verfolgen und beim geringsten Verdacht auf Benachteiligung des regionalen Gewerbes einschreiten.

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