Erinnerung ist eine Trickkiste

Roland Neyerlin kam nach Laufen zurück, um über die Heimat zu philosophieren. Dabei stellte er fest, dass Heimat eher eine Tugend als ein Ort ist.

Der «kleine Dutzli»: Roland Neyerlin liess mit seinen Geschichten ein Laufen früherer Zeiten auferstehen. Foto: Gaby Walther
Der «kleine Dutzli»: Roland Neyerlin liess mit seinen Geschichten ein Laufen früherer Zeiten auferstehen. Foto: Gaby Walther

Ob schon einmal eine Lesung in Laufen so viele Leute angelockt hatte? Am letzten Sonntag jedenfalls wurde die Lesung von Roland Neyerlin kurzerhand von der Galerie in den Saal des Alten Schlachthauses verlegt, um genug Platz für die Besucher zu haben. Obwohl Neyerlin bereits seit einigen Jahrzehnten nicht mehr in Laufen, sondern in Luzern lebt und als Weltenbummler oft unterwegs ist, hat er hier noch viele Bekannte, die sich an ihn und an seinen Vater Dutz, den Alteisenhändler von Laufen, erinnern.

Literarisch-philosophische Texte rund um Heimatfragen wollte Neyerlin an diesem Morgen vortragen. Vor hochstehenden, weltfremden Worten musste sich jedoch niemand fürchten. «Ich rede fürs Leben gern und was ich bin, bin ich durch das Gespräch mit anderen», sinnierte Neyerlin und zeigte sich trotz Philosophiestudium und Dozentenstelle an der Universität in Luzern als bodenständig und volksnah. Dabei hatten seine Gedanken und Geschichten zur Heimat, dem Laufental und allgemein zum Leben sehr wohl Tiefgang.

Lilaheimat

Als wichtigen Heimatort seiner frühen Erinnerung an Laufen nannte der Philosoph die Cafébar «Dixi», in welcher er in seiner Jugend viel Zeit verbracht und Musik gehört hatte. Vier Musikstücke aus jener Zeit liess er in seine Lesung einfliessen. Das «Dixi» sei zu jener Zeit, Ende der 1970er-Jahre, eine schrille Welt voller Freaks, eine Heimat für Aussenseiter, ein Ort der Weltoffenheit gewesen. Neyerlin ist sich aber bewusst, dass nichts so verfremdet ist, wie die Erinnerung. «Erinnerung ist eine Trickkiste. Eine besondere Art des Vergessens. Es entsteht eine Lilaheimat.»

Vielfalt wichtiger als Einfalt

Heimat hat für den Alt-Hippie nichts mit Nationalstolz, Sennenhemd und Alpenromantik zu tun hat. «Heimat ist nie dort, wo alle gleich sein müssen. Vielfalt ist wichtiger als Einfalt. Heimat ist etwas, das entsteht, wenn es viel Verschiedenes gibt.» Neyerlin erzählte, dass das Haus seiner Kindheit «Fenster nach draussen hatte» und jeder willkommen war. Heimat soll ein gastfreundlicher Ort sein. So ist dann Heimat für ihn mehr eine Tugend, eine gute menschliche Eigenschaft statt ein bestimmter Ort. Es ist etwas, das aktiv geschaffen werden muss.

Der «kleine Dutzli», wie er als Kind genannt wurde, erzählte, wie er in der Bäckerei der Grosseltern an der Wah-lenstrasse mithalf und gleichzeitig von einer Zukunft als Strassenfeger träumte. Denn diese imponierten ihm. Es war spannend, in ein Laufen einzutauchen, das es so nicht mehr gibt. Roland Neyerlin liess mit seinen Geschichten Vergangenes aufleben und stellte gleichzeitig die Begriffe «Heimat» und «Fremdsein» einander gegenüber.

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