Im Viehwagen nach Auschwitz

Shlomo Graber, 91-jährig und äusserst vital, ist einer der letzten Zeitzeugen der Konzentrationslager Auschwitz und Görlitz. Seine Mutter und vier jüngere Geschwister wurden ermordet, er und sein Vater überlebten. Im Gymnasium Laufen schildert er seine grausamen Erlebnisse.

Fragestunde der jungen Gäste: Shlomo Graber und Lehrerin Andrea Leonardi. Foto: Jürg Jeanloz
Fragestunde der jungen Gäste: Shlomo Graber und Lehrerin Andrea Leonardi. Foto: Jürg Jeanloz

Wir stehen am Eingang der Hölle», fuhr es dem 18-jährigen Shlomo Graber durch den Kopf, als er mit seiner Familie und siebzig weiteren Menschen in einem kleinen ungarischen Dorf in einen Viehwagen gepfercht wurde. Ein Kübel mit Wasser und ein Kübel für die Notdurft waren die Begleiter auf der dreitägigen Reise nach Auschwitz. Die Männer mussten stehen, damit die Frauen und Kinder sitzen konnten. Kaum angekommen, wurde die Familie getrennt und wie er später erfuhr, waren Grossmutter, Mutter und Geschwister nach einer Stunde schon tot.

Er und sein Vater erhielten gestreifte Lagerkleider und Holzschuhe, wurden von einem Barbaren kahlgeschoren, nummeriert (42649) und tätowiert. «Wir hatten immer Angst und Hunger», erinnert sich Graber, der die Grausamkeiten der Wärter kaum mit Worten beschreiben kann. Tag und Nacht Appelle, Marschieren wie im Militär, wer nicht parierte, wurde erschossen. Vater und Sohn wurden nach Görlitz, eine Stadt an der polnischen Grenze, versetzt, wo sie im Eisenbahn-Waggonbau arbeiteten. Wer das Gewicht von 30 Kilogramm unterschritt, wurde aussortiert und hingerichtet. Der schlaksige Shlomo konnte nur dank einem unbemerkten Verschwinden in die SS-Küche sein Leben retten. Der Hunger trieb ihn so weit, dass er sich nachts in den Schweinestall stahl und dort aus dem Schweinefutter naschte! «Wir hatten den Humor nicht verloren», erinnert er sich an ein Läuserennen, das die Insassen veranstalteten. Der Sieger war derart glücklich, dass er seine Laus zum Dank wieder auf den Kopf setzte.

Im kalten Februar 1945 hatten Vater und Sohn noch einen Todesmarsch absolviert, den nur ein Drittel von 1500 Häftlingen lebend durchstanden. Am 8. Mai erreichte Görlitz die Kunde, dass Hitler tot sei und wenig später befreiten die Russen die Gefangenen. Vor Freude küsste und umarmte er einen eintreffenden russischen Soldaten.

280 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Laufen hören sich diese entsetzlichen Erzählungen fassungslos an, die Graber ruhig und gelassen vorträgt. Nein, ich bin nicht streng gläubig, ich musste mir selbst helfen, antwortet der in Basel lebende Jude auf eine Frage einer Schülerin. «Der Holocaust hat mich geprägt, aber die Liebe ist stärker als der Hass». Mit dem Bücherschreiben und der Malerei habe er die Ereignisse verarbeitet. Er schätze heute die Deutschen und vertraue auf die Demokratie. In den ersten Jahren nach Kriegsende hätte er sich immer am 8. Mai mit seine Mitgefangenen getroffen, heute sei er leider der letzte Überlebende.

Weitere Artikel zu «Laufen/Laufental», die sie interessieren könnten

Laufen/Laufental24.04.2024

Der Biber breitet sich in der Region nicht aus wie erwartet

Während die Biberpopulation schweizweit wächst, blieb sie in der Region in den letzten Jahren stabil. In Zwingen an der Birs haben sich Biber niedergelassen und…
Eine Verwaltung für mehrere Gemeinden
Laufen/Laufental24.04.2024

Eine Verwaltung für mehrere Gemeinden

Die Gemeindeversammlung von Burg stimmte der Auslagerung der Verwaltung nach Biel-Benken zu. Auch andere Gemeinden im Laufental suchen nach einem neuen…
Laufen/Laufental17.04.2024

Eine Stadtverwalterin für Laufen

Am 1. Mai tritt Alexandra Buser ihr Amt als neue Stadtverwalterin von Laufen an. Sie übernimmt die Nachfolge von Thomas Locher.