Überirdische Geigenklänge

Mit Musik aus Russland übertraf sich das Orchester Arlesheim selbst. Der Violinist Edouard Mätzener setzte dem Konzert das Glanzlicht auf. Die Magie seiner Klänge liess sogar Konventionen vergessen.

Entführte das Publikum in höhere musikalische Sphären: Der preisgekürte Violinist Edouard Mätzener im Violinkonzert D-Dur von Tschaikowski mit dem Orchester Dornach unter der Leitung von Markus Teutschbein.  Foto: Thomas Brunnschweiler
Entführte das Publikum in höhere musikalische Sphären: Der preisgekürte Violinist Edouard Mätzener im Violinkonzert D-Dur von Tschaikowski mit dem Orchester Dornach unter der Leitung von Markus Teutschbein. Foto: Thomas Brunnschweiler

Thomas Brunnschweiler

Man hätte eine Steigerung nicht für möglich gehalten…» So pflegte der Moderator der legendären Fernsehsendung «Es darf gelacht werden» einen Topp-Film anzusagen. Der Satz gilt auch für das Orchester Arlesheim, das am Sonntagnachmittag vor vollen Rängen in der reformierten Kirche konzertierte. Es war ein Dreigangmenü mit kurzweiligem Horsd’œuvre, einem opulenten Hauptgang und einem raffinierten Dessert. Die akustische Vorspeise bestand aus Alexander Borodins «Steppenskizze aus Mittelasien».

Die sirrenden Violinen evozierten weite Steppe, die von Klarinette und Horn intonierte Melodie nahm ein russisches Lied auf, die zupfenden Streicher riefen das Bild einer Karawane und Pferdegetrappel vors innere Auge. Dazwischen ertönte eine orientalische Melodie im Englischhorn. Das Stück klang sorgfältig einstudiert und filigran. Ein vielversprechender Vorgeschmack auf Tschaikowskis Violinkonzert in D-Dur, op. 35. Schon bald war klar, warum dieses Stück einst für unspielbar gehalten wurde. Die ersten Rezensenten verrissen es, wohl wegen des fast burschikosen dritten Satzes.

Eleganz ohne Gefälligkeit
Edouard Mätzener zeigte auf der Geige eine stupende Technik, hohe Virtuosität und gebändigte Emotionen. Nie wirkte er – im Gegensatz zu Show-Violinisten – effekthascherisch. Fast statisch, in sich gekehrt, spielte er sich durch Doppelgriffe, Läufe und Triller. Da waren Eleganz ohne Gefälligkeit, perfekte Bogenbeherrschung, dynamische Subtilität und doch kraftvolles, alles durchdringendes Spiel. Das Orchester, dem alles abverlangt wurde, liess den Solisten – vom Dirigenten Markus Teutschbein im Zaum gehalten – atmen und erwies sich dem schwierigen Stück gewachsen. Dann die Solokadenz: rein bis in die höchsten Lagen, keine Unsicherheit bei Glissandi und Trillern. Plötzlich fühlte man sich abgehoben in eine überirdische Sphäre. Mätzener spielte, als flösse die Musik direkt vom Himmel herab in sein Instrument, als wäre er nur der schlafwandlerische Vermittler jenseitiger Harmonien. Unglaubliche Rhythmuswechsel, ein Galopp von Höhepunkt zu Höhepunkt, stets ohne Attitüde. Gänsehaut.

Magischer Augenblick
Nach dem Verklingen des letzten Tons war die Luft bis zum Blitzschlag elektrisiert. Gegen allen Brauch entlud sich spontan ein Zwischenapplaus. Es spricht zwar gegen den Rezensenten, dass er gegen besseres Wissen in ihn einfiel, aber die Magie der Musik war plötzlich stärker als jede Konvention. Nach dem Andante und dem furiosen Finale erhoben sich die meisten Zuhörer, klatschend und «Bravo» rufend, von ihren Sitzen. Mätzener brillierte nochmals in der Zugabe mit Fritz Kreislers «Recitativo und Scherzo». Fast froh war man, dass der Nachtisch, Mikhail Glinkas «Valse – Fantasie», leichter, wenn auch keineswegs gehaltlos, ausfiel. Es war das «Dessert surprise» eines denkwürdigen Konzerts.

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