Ort für ein Stossgebet

Bevor Väterchen Staat für die Strassensicherheit besorgt war, musste vielerorts eine höhere Macht einspringen. In Meltingen war es der heilige Antonius. Direkt unter seiner Statue befinden sich geheimnisvolle Schalen.

Antonius hütet das Geheimnis:
Antonius hütet das Geheimnis:

Sind diese aprikosen- bis faustgrossen Nischen im Felsen zum Meltingerberg nun menschengemacht oder natürlicherweise entstanden? Wissen kann man das nicht. Die Meinungen gehen auseinander. «Sicher natürlich entstanden», urteilt denn auch der Schalenstein-Experte Urs Schwegler. Es handle sich um Markasit-Auswaschungen. Markasit ist ein häufiges Mineral, das die Chemikerinnen als Eisen(II)disulfid bezeichnen. Wo die Knollen verwittert sind, verbleiben Nischen im Felsen. So die Theorie von Schwegler. Ihm kann man insofern recht geben, als manche Nischen tatsächlich eine gelbliche Farbe haben.

Der Meltinger Alphons Jeger hingegen glaubt, dass mehr dahinter ist. Er denkt, dass die natürlichen Löcher von Menschenhand vergrössert wurden. Auffällig ist, dass sich die kleinen Löcher alle direkt unter der Antoniusnische und dem Kreuz befinden. Es sei ja bekannt, dass die frühen Christen heidnische Kultstätten nicht zerstörten, sondern mit einem Kreuz oder einer Kapelle «christianisierten», so Jeger. Hier nun, beim Übergang vom Wald zur Meltingerweid, hat man sogar gleich beides. Wie wenn die Antoniusnische nicht reichen würde, befindet sich darüber noch ein Steinkreuz.

Ein lebensgefährlicher Weg

Der Standort jedenfalls ist nicht zufällig gewählt. Er befindet sich direkt am Waldrand, sozusagen an der Pforte zur offenen Meltingerweid. Hier sollte der heilige Antonius der Grosse das Vieh vor Seuchen schützen. Er markiert aber auch der Beginn einer sehr gefährlichen Strecke, wo immer wieder Unfälle passierten. Alle hatten sehr viel Angst, wenn sie mit einem Fuhrwerk von der flachen Meltingerweid den steilen Waldweg hinuntermussten, den die Einheimischen ehrfurchtsvoll «Antoni» nennen. Dies bestätigen die Einheimischen Roswitha Spar und Leo Hänggi. Es war sicher ein Ort, wo ein Stossgebet nicht schaden konnte. Der alte Weg war übrigens talwärts vom aktuellen Asphaltweg angelegt.

Jeger geht davon aus, dass der Übergang sehr alt ist. Denn noch immer ist zu erkennen, dass die Strasse streckenweise ein richtiggehender Hohlweg war. Diese entstanden, wenn unbefestigte Wege über Jahrhunderte benutzt wurden. Sei es für den Viehtrieb, als Verkehrswege oder um geschlagenes Holz ins Dorf zu schleifen. Für Letzteres spricht auch, dass der «Antoni» im Dorf bei einem vormaligen Köhlerplatz beginnt, so Jeger. Der Weg erscheint in der «Schullandkarte des Kantons Solothurn» von 1927 bis zur Weide als wichtige Strasse II. Klasse und weiter als Fussweg zum Kloster oder direkt zum Neuhüsli in Beinwil.

Immer wieder zerstört

Seit wann der heilige Antonius bei diesem Übergang wacht, weiss man nicht. Sicher ist, dass er ein bewegtes Schicksal hatte. 1903 hatten drei Basler Knaben seine hölzerne Statue runtergerissen und «geviertelt». Sie wurden erwischt und die Väter mussten eine tönerne Statue stiften.

1967 hat Leo Hänggi zusammen mit zwei Freunden die Nische neu gemauert und das zerfallene Kreuz ersetzt. «Beide waren aus Zement gewesen», erklärt Hänggi.

Vor über 30 Jahren dann geschah das Unfassbare. «Der Anton war plötzlich zerstört, über 100 Stücke lagen da!» Der Schuldige wurde nie gefunden. Eine leere Nische kam für Hänggi nicht in Frage. Deshalb bestellte er in der Schnitzerschule Brienz nach der Vorlage von alten Fotos einen neuen Anton aus Holz und stellte ihn in die Nische. Von wo aus er alle diskret segnet, die vorüberwandern.

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