Als ein Kleid noch ein kleines Vermögen war

Im Industriemuseum Breitenbach stand für einmal das bäuerliche Leben im Vordergrund: Willi Thalmann erklärte, wie man Kleider machte, als man den Rohstoff dafür noch selber anpflanzen und gewinnen musste.

<em>Brachte Bilder mit: </em>Willi Thalmann hat in Zäziwil recherchiert, wie früher Textilien hergestellt wurden.Foto: peter walthard
<em>Brachte Bilder mit: </em>Willi Thalmann hat in Zäziwil recherchiert, wie früher Textilien hergestellt wurden.Foto: peter walthard

Shirts für zehn Franken, Hosen für zwanzig, alles frei Haus geliefert vom Internetgiganten: Wer sich heute Kleider kauft, muss sich kaum mehr Gedanken machen, und schon gar keine Mühe. Das war noch vor wenigen Jahrzehnten ganz anders. «Eine Aussteuer musste man sich über Jahre zusammensparen», erklärte Willi Thalmann am Samstag im Industriemuseum Breitenbach. Dort konnte man nicht nur einen Webstuhl bestaunen, wie er früher in vielen Dörfern des Schwarzbubenlandes zum Nebenerwerb in den Bauernstuben stand. Thalmann hatte für einmal vom Industriesektor in die Landwirtschaft gewechselt und hatte Bilder mitgebracht von der «Brächete» in Zäziwil. Dort wird das alte Handwerk des Flachsbrechens einmal im Jahr im Rahmen einer grossen Chilbi gezeigt. Noch vor zwei Generationen war es auch im Schwarzbubenland Alltag. Denn vor dem Siegeszug der amerikanischen Baumwolle war Leinen das Textil der Wahl: Angenehmer zu tragen als die kratzige Schurwolle und vor allem unverwüstbar war der Stoff, aus dem Kleider, Bettwäsche und Handtücher gemacht waren. Gewonnen wurde sie aus den fasrigen Flachspflanzen, die man zuerst trocknen und dann in mühsamer Handarbeit brechen musste, um die hölzernen Bestandteile des Krauts loszuwerden und an die kostbaren Fasern zu gelangen, die dann in langen Nächten von Hand gesponnen und schliesslich am Lebstuhl zu Leinenbahnen verarbeitet wurden. Die Weberei, und damit passte das Thema doch ins Indus-triemuseum, wurde schliesslich zur Grundlage der Industrie in der Schweiz.

Unverwüstlicher Stoff

In ungezwungenem Rahmen wusste Thalmann viel von früheren Zeiten zu erzählen. Denn der Umgang mit Kleidern war schon damals ein Spiegel der Gesellschaft. Es war Sache der Frau, die notwendige Wäsche in den gemeinsamen Haushalt einzubringen, man nannte dies die Aussteuer, und ihr galten all die Geschenke zu den Weihnachten und Namenstagen eines Mädchen- lebens. Der unverwüstliche Stoff wurde schliesslich vererbt, oft über Generationen – bis Jeans und nordische Duvets der textilen Tradition der bäuerlichen Schweiz ein jähes Ende setzten. Heute lagern die kostbaren Waren vielerorts noch auf einem Estrich oder in einem Keller, wenn sie nicht einfach als überflüssig weggeworfen sind. Wie viel Arbeit, wie viel Hoffnung und Ängste auch mit den Aussteuern der Schwarzbubenmeitli verbunden waren, ist in Vergessenheit geraten.

Am ersten Samstag im April kann man sich im Industriemuseum noch einmal ein Bild vom Flachs und vom Leinen machen.

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