«Ich bin in einem Matriarchat gross geworden»

Ilze Paegle dirigiert seit fünf Jahren den Männerchor Büsserach. Die ­Dirigentin ist in Lettland aufgewachsen.

Ilze Paegle-Torrisi, der Vollblutmusikerin ist Ausgeglichenheit wichtig: Die Balance finden im Beruf und im privaten Leben. Foto: Benildis Bentolila
Ilze Paegle-Torrisi, der Vollblutmusikerin ist Ausgeglichenheit wichtig: Die Balance finden im Beruf und im privaten Leben. Foto: Benildis Bentolila

Bereits im Kindergarten in Mārupe/Lettland, das bis 1991 zur UdSSR gehörte, war die heute 47-jährige Ilze Paegle-Torrisi ein Musikstar. Sie durfte in einem TV-­Programm der Kolchose mit der Musiklehrerin Lienite Luse als Solistin zweistimmig singen. «Lienite hat mich von Anfang beeindruckt», erinnert sie sich, «wir haben weiterhin Kontakt.» Dank ihr sei sie zur Musik gekommen — und geblieben. Sie sei eine strenge, aber liebenswürdige Lehrerin gewesen. Ihre Wesensart, wie sie die Balance zwischen Hartnäckigkeit und Liebreiz fand, habe ihr gefallen, und sie habe ihr stets nach­geeifert. «Ihre» 19 Männer des Männerchors Büsserach bestätigen: «Wir kommen gerne am Donnerstagabend um 19.30 Uhr ins alte Schulhaus in die Probe. Nach gut eineinhalb Stunde gehen wir gemeinsam in die Traube nebenan für den gesellschaftlichen Teil.» Übrigens würden sie gerne neue gesangsfreudige Männer, die offen für eine gute Kameradschaft sind, begrüssen (weitere Infos auf www.maennerchor-buesserach.ch).

Bachelors of Art in Operngesang

Fast mehr als ihre Musikkarriere interessiert die Journalistin, wie Ilze Paegle 2009 in die Schweiz kam, respektive ins Elsass, wo sie seit 2017 lebt. Sie blendet zurück: «Ich bin in einer von starken, charismatischen Frauen geprägten Familie aufgewachsen — es könnte Matriarchat genannt werden. Meine Grossmutter Mirdza Dreier war eine Person, die in der Verwandtschaft eine wichtige Stimme hatte, genau wie meine Mutter Baiba Paegle». Ilze durchlief in Lettland mehrere Schulungen und erreichte verschiedene Bachelors of Art in Operngesang, Renaissance- und Barockmusik, aber auch in Ballett und Volkstanz.

Reise nach Basel

Um ihrer Mutter zu gefallen, folgte sie dem Studium in Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als 20-Jährige ein Jahr als Revisorin bei PricewaterhouseCoopers Latvia. «Dieses Jahr in einem Dienstleistungsunternehmen hat mir gezeigt, dass ich nicht fürs Geschäftsleben gemacht bin und ich kehrte zurück zur Musik.» Dann gab es eine einschneidende Wende in ihrem Leben: Im Jahr 2006 starb ihre Mutter plötzlich. Die junge Frau wohnte zwar nicht mehr daheim, aber die Bindung zu ihrer Mutter war stark geblieben. «Ich war verloren wie ein kleines Kind», fasst sie zusammen. Sie wollte nur noch weg, verkaufte ihren Volvo, setzte sich ins Flugzeug und landete nach rund fünf Stunden in Basel. Sie hatte keine Arbeit, keine Aufenthalts­bewilligung, keine Wohnung, nichts. Zum Glück wohnte in Basel ein ihr aus Lettland bekanntes Musikerpaar, das ihr anfangs geholfen hatte. Sie nahm sofort Deutschstunden und suchte Aushilfs­stellen. Das Geld vom Auto war schnell aufgebraucht. Sie schlug sich durch mit Teilzeiteinsätzen bei Chören und konnte so ihre Rechnungen bezahlen.

Vor elf Jahren lernte sie ihren Mann Marco kennen, einen Italiener, der in der Schweiz arbeitet. Ihre Tochter Lara wurde geboren und die Familie zog nach Frankreich. Nun war es ihr möglich, sich wieder professionell der Musik zu ­widmen.

Auch Chorleiterin von Metzerlen

Ilze Paegle ist Mitglied in verschiedenen Kammerchören und gründete den lettischen Familienchor Trejzemīte (Drei­länder), der vorläufig noch in Bad Krozingen probt. Sie tritt als Solistin an Gottes­diensten, Hochzeiten und Beerdigungen auf und erwähnt nicht ohne Stolz: «In meinem Repertoire gibt es sieben verschiedene Ausführungen des Ave-­Maria.» Neu hat sie den Kirchenchor Metzerlen als Chorleiterin übernommen. Am Dorffest Büsserach am Sonntag 18. September dirigiert Ilze Paegle ihren Männer­chor Büsserach, ebenso am Sänger­tag in Grellingen am 24. September.

Lettischer Chor in Metzerlen

Anfang Juli fährt Ilze Paegle nach Venedig, wo sie mit ehemaligen Chorkameraden, dem Profi-­Kammerchor Versija aus Lettland, drei Konzerte gibt. Auf der Heimreise via Schwarzbubenland wird dieser Chor am Dienstag 5. Juli 19.30 Uhr in der Kirche St. Remigius in Metzerlen auftreten. Nach dem Konzert ist ein Apéro vorgesehen mit lettischen Köstlichkeiten. Der Eintritt ist frei; am Schluss Kollekte. Die Bevölkerung ist herzlich eingeladen.

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