«Es braucht mehr Frauen, die in die Politik wollen»

Für das Frauenstimmrecht kämpfen musste Janine Graber nie. Trotzdem glaubt sie, dass es punkto Frauenrechte und Gleichstellung noch einiges zu tun gibt — nicht zuletzt auch für die Frauen ihrer Generation.

Frauenthemen sind ihr ein Anliegen: Die Jungpolitikerin Janine Graber glaubt, dass es bezüglich Gleichstellung noch Handlungsbedarf gibt. Foto: Melanie Brêchet
Frauenthemen sind ihr ein Anliegen: Die Jungpolitikerin Janine Graber glaubt, dass es bezüglich Gleichstellung noch Handlungsbedarf gibt. Foto: Melanie Brêchet

Mit ihren erst 24 Jahren konnte Janine Graber bereits viel politische Erfahrung sammeln. So präsidiert die junge Lehrerin aus Breitenbach das Jugendparlament Schwarzbubenland, ist Vizepräsidentin der Jungen Mitte Solothurn und war für kurze Zeit im Vorstand der Jungen CVP Schweiz. Erst vor kurzem kandidierte Janine Graber ausserdem für den Solothurner Kantonsrat.

Wochenblatt: 1971 wurde in der Schweiz das Frauenstimmrecht eingeführt — wie weit weg klingt das in Ihren jungen Ohren?

Das klingt für mich sehr weit weg. Meine Eltern sind etwas älter als 50-jährig. Bereits sie haben dieses Ereignis nicht mehr bewusst wahrgenommen.

Was wissen Sie eventuell aus Erzählungen von Ihren Grosseltern aus dieser Zeit?

Meine Grossmutter hat erzählt, dass sie sich noch ganz genau daran erinnern kann, wann sie das erste Mal abstimmen durfte, sie war 35. Sie erzählte, sie habe sich bereits zuvor informiert und Zeitung gelesen. Politisch war sie aber nicht aktiv. Was mein Grossvater dazu gemeint hat, weiss ich nicht. Jedenfalls war er ebenfalls in der CVP.

Sie sind erst 24 Jahre alt und politisch bereits sehr aktiv. Was hat Sie zu einem politischen Menschen gemacht?

Ich komme aus einem politischen Elternhaus. Meine Mutter hat zwar keine parteipolitischen Ansichten, mein Vater ist jedoch seit längerer Zeit Gemeinderat in Büsserach. Durch ihn bin ich da etwas reingerutscht. Er hat mich aber zu nichts gedrängt. Im Alter von 17 Jahren habe ich dann Glenn Steiger kennen gelernt und wir gründeten gemeinsam das Jugendparlament Schwarzbubenland. Das gibt es heute noch und offiziell bin ich da auch noch Präsidentin. Aber mir fehlt die Zeit und Schulbesuche sind schwierig zu machen, da ich selbst beruflich sehr eingespannt bin. Ich möchte meine aktive Rolle dort langsam abgeben und jüngeren Leuten Platz machen.

Wie wichtig sind Ihnen frauenspezifische Themen?

Sehr wichtig! Gleichstellung hat aber zwei Seiten. Ich würde darum auch eine Militär- oder Zivildienstpflicht für beide Geschlechter begrüssen. Wichtig ist mir auch Lohngleichheit, ich selbst bin glücklicherweise in einem Beruf, wo diese erreicht ist. Aber hier besteht Handlungsbedarf. Auch Elternzeit ist ein wichtiges Thema. Zwei Wochen Vaterschaftsurlaub sind ein Anfang aber noch nicht genug.

Wie vermitteln Sie als Lehrerin den Kindern das Thema Gleichstellung?

Das Thema ist im Lehrplan vorgegeben. Ich versuche meinen Kindern beizubringen, dass es keine «Meitli- und Bubenfarben» gibt. Und es gibt nichts, was nur ein Geschlecht machen kann oder darf. Aber Kinder haben gefestigte Bilder, sie sprechen zum Beispiel fast nie über Pilotinnen. Auch Homosexualität ist ein Thema, das ich zu vermitteln versuche. Aber wenn die Eltern zu Hause etwas anderes sagen, habe ich fast keine Chance, das ist schwierig. Eine siebenjährige Schülerin von mir sagte letztes Jahr: Es ist doch egal, wer man ist oder was man werden will: Hauptsache, man ist glücklich. Das hat mich beeindruckt.

Welche Verbesserungen wünschen Sie sich für die Frauen Ihrer Generation?

Schwierige Frage. Es kommt sehr darauf an, wo man im Leben steht. Gleichberechtigung in der Kindererziehung scheint mir ein sehr wichtiger Punkt zu sein. Wenn ich Kinder habe, möchte ich nicht 100 Prozent meine Kinder erziehen, ich möchte auch arbeiten. Ich als Lehrerin habe da Luxus. Aber es gibt Berufe, wo es immer noch schwierig ist. Dass man darüber mehr spricht, liegt wohl daran, dass Frauen heutzutage oft besser ausgebildet sind. Familien- und Kinderplanung verlagern sich nach hinten, Frauen werden später Mütter, Männer später Väter. Vielleicht gibt das auch mehr Zeit, um darüber nachzudenken, wie man die Aufteilung später lösen möchte.

Wie bewerten Sie die Einstellung der Männer heutzutage, denken Sie, dass die jüngere Generation offener ist für die Anliegen der Frau?

Ich würde sagen: mal so, mal so. Es gibt sicher auch Männer, die jetzt viel versprechen, aber später doch keine Veränderung wollen. Teilzeitbeschäftigung für Männer ist aber je länger, desto mehr ein von der Gesellschaft akzeptierter Weg.

Sie arbeiten seit 2015 ehrenamtlich für das Online-Jugendmagazin «Tize» und sind da mittlerweile auch Chefredaktorin. Wie werden dort Frauenthemen gewichtet?

Wir haben einen sehr hohen Anteil an Frauen in der Redaktion und sie wollen schreiben, was sie denken. Darum werden immer wieder Frauen- oder Gleichstellungsthemen aufgegriffen, ohne dass ich speziell steuere. Eigene politische Meinungen müssen natürlich gekennzeichnet werden. Unsere jüngste Redaktorin ist übrigens 14 Jahre alt.

Braucht es Ihrer Meinung nach mehr Frauen in der Politik?

Ich denke schon. Gerade in Gemeinden sind Frauen oft untervertreten. Von 50/50 sind wir da weit entfernt. Da muss etwas gehen. Es müssen aber Frauen gefunden werden, die das wirklich wollen. Es bringt nichts, eine Frau für ein politisches Amt aufzustellen, wenn sie keine Lust darauf hat und sich nur als «Listenfüllerin» sieht. Ich bin aber zuversichtlich: Die «Fridays for Future»-Aktionen für den Klimaschutz haben viele Jugendliche politisiert, das könnte in Zukunft spürbar sein. Wer weiss, vielleicht bin ja auch ich irgendwann mal im Nationalrat.

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