«Weibliche Vorbilder sind ganz wichtig»

Seit acht Jahren herrscht im Erschwiler Gemeinderat eine Frauenmehrheit. Massgeblich verantwortlich für diesen Erfolg ist Susanne Koch, Kantonsrätin und seit 23 Jahren Gemeindepräsidentin.

Fördert Frauen: Für Susanne Koch ist es wichtig, dass beide Geschlechter in der Politik gut vertreten sind. Foto: Gaby Walther
Fördert Frauen: Für Susanne Koch ist es wichtig, dass beide Geschlechter in der Politik gut vertreten sind. Foto: Gaby Walther

Bereits zum siebten Mal wurde Susanne Koch letzte Woche als Gemeindepräsidentin in Erschwil wiedergewählt. Seit 2009 ist sie Kantonsrätin, seit 2017 Präsidentin der Finanzkommission.

Daneben ist die Mutter zweier erwachsener Kinder in zahlreichen weiteren Ämtern aktiv, so unter anderem als Präsidentin im Schulvorstand der Kreisschule ­Thierstein West, als Präsidentin der «Freundinnen und Freunde Brosy-Orgel Erschwil» und als Mitglied der Geschäftsleitung vom neuestheater.ch.

Wochenblatt: Frau Koch, was treibt Sie an?

Es macht mir Freude, Menschen kennen zu lernen. Ich bin neugierig, interessiert, offen für Neues und erhalte durch die vielen Begegnungen viel zurück.

Sie wurden 1960 in Graubünden geboren und verbrachten Ihre Kindheit und Jugend in Oberwil. Erinnern Sie sich noch an die Abstimmung zum Frauenstimmrecht?

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die von Anfang an für das Frauenstimmrecht war. Dominanter und einschneidender als die Abstimmung zum Frauenstimmrecht war nach meinem Empfinden damals die Erdölkrise. Politisch in Erinnerung ist mir auch die Anti-AKW-Bewegung Kaiseraugst, bei welcher sich meine Eltern engagierten.

Als erste Frau, als Auswärtige, als politisch Unerfahrene und dann noch für die CVP, wurden sie 1998 zur Gemeindepräsidentin von Erschwil gewählt. Wie kam es dazu?

Ich zog 1989 zusammen mit meinem Mann nach Erschwil ins Haus seiner Grosseltern. 1998 herrschten in Erschwil politisch schwierige Zeiten. Nach dem Rücktritt des Gemeindepräsidenten liess ich mich auf die Liste stellen, damit überhaupt eine Wahl stattfand. Es war aber ganz klar, dass die CVP keine Chance haben würde. Doch überraschenderweise zog sich der FDP-Kandidat zurück und ich wurde gewählt. Das hatte ich nicht erwartet und es bereitete mir anfangs ein paar schlaflose Nächte. Da auch noch eine neue Gemeindeschreiberin und eine neue Verwalterin gewählt wurden, hiess es in am Stammtisch im Dorf: «Die Weiber machen das nicht lange.»

Womit diese Männer falsch lagen. Lange Zeit waren mindestens zwei Frauen im Gemeinderat Erschwil. Seit sieben Jahren herrscht Frauenmehrheit. Für die kommende Amtsperiode wurden wiederum fünf Frauen und zwei Männer in stiller Wahl bestätigt. Das gibt es in keinem anderen Ort im Schwarzbubenland. Was ist das Erfolgsrezept?

Einerseits fragte ich immer wieder Frauen an, anderseits sind wir im Gemeinderat schon lange ein stabiles Team. Ganz wichtig sind weibliche Vorbilder. Denn die Ansprüche der Frauen an sich selbst sind meist hoch und eine Mehrheit von Frauen trauen sich – immer noch – weniger zu als die Männer. Wenn Vorbilder zeigen, dass politische Ämter auch für Frauen machbar sind, wagen die Frauen sich eher daran. Zudem braucht es ein unterstützendes Umfeld, das bereit ist, uns Frauen zu unterstützen.

Wie hat sich Ihre Rolle in der Gemeinde verändert und wie gehen Sie mit Kritik um?

Ich musste mir eine dicke Haut zulegen und mich politisch behaupten. Ich politisiere aber sachbezogen und bin nicht eine, die Kritik persönlich nimmt. Nach 20 Jahren als Gemeindepräsidentin wurde ich zur Ehrenbürgerin ernannt und heute merke ich, dass die Leute im Dorf stolz auf ihre Frau Ammann sind. Sie sehen, dass die Wunden von damals zugewachsen sind, dass ich das Schiff auf Kurs halte und die Dorfpolitik gut funktioniert.

Gibt es Unterschiede, wie Frauen und Männer politisieren?

Ja, ganz klar. Deshalb ist es so wichtig, dass beide Geschlechter vertreten sind. Die Mischung macht es aus. Am Anfang meiner Zeit als Gemeindepräsidentin nahmen keine Frauen an Gemeindeversammlungen teil. Ich musste sie dazu ermuntern. Seither herrscht in meiner Wahrnehmung eine andere Stimmung im Gemeindesaal.

Eine Frauenminderheit herrscht in der Solothurner Finanzkommission. Weshalb?

Tatsächlich sind wir nur zwei Frauen neben 13 Männern. Es ist vielleicht ein Bereich, wo Männer sich nach vorne drängen, da man in der Finanzkommission Einfluss auf fast jedes Geschäft hat. Diese Kommission ist zeitaufwendig, aber spannend. Auch hier wäre eine gute Mischung der Geschlechter wichtig. Frauen entscheiden anders als Männer, sie haben einen offeneren, umfassenderen Blickwinkel.

Wo gibt es noch Handlungsbedarf betreffend Gleichstellung?

Wir haben eine Bedürfnisabklärung im Dorf gemacht. Der Wunsch nach mehr Betreuungsmöglichkeiten ist nicht vorhanden. Wahrscheinlich deshalb, weil viele Frauen mit Kindern im privaten Umfeld Unterstützung erhalten. Gerade für das Selbstbewusstsein finde ich es aber wichtig, dass Frauen im Beruf bleiben, daran Freude haben und nicht nur den Haushalt als ihre Aufgabe sehen. Wobei ich es genoss, dass ich meine politische Arbeit mit der Kinderbetreuung vereinbaren konnte.

Zum Schluss: Wie sehen Ihre politischen Zukunftspläne aus?

Im 2023 übernehme ich das Kantonsratspräsidium, bin dann also höchste Solothurnerin. Auf Gemeindeebene plane ich vier weitere Jahre Präsidentin zu bleiben. Danach freue ich mich darauf, dass eine andere Person mit Lust und Sorgfalt das Präsidium übernimmt und ich mich auf neue Projekte konzentrieren kann.

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