Ein tapferer Kleinlützler unter Napoleon

Ein Kleinlützler, geborener Hammel, kämpfte im Winter 1812 unter Napoleon in Russland. Es war ein harter und zermürbender Kampf gegen die eisige Kälte, den grossen Hunger und die mörderischen Kugeln. Nach dem Brand von Moskau blieb Napoleon und seiner Grande Armée kein anderer Ausweg mehr übrig, als Richtung Westen zu fliehen.

Napoleon Bonaparte: Ein Porträt des Delsberger Künstlers Ignace Tavanne, 1808. Foto: zvg
Napoleon Bonaparte: Ein Porträt des Delsberger Künstlers Ignace Tavanne, 1808. Foto: zvg

Soldaten starben wie die Fliegen. Die übrig Gebliebenen nahmen ihnen Schuhe und Mäntel ab. Am Grenzfluss Beresina kam es zum letzten katastrophalen Kampf auf russischem Territorium.

Eines Tages verlor der Kleinlützler seine Kameraden aus den Augen und begann, gefolgt von Kosaken, in der ihm fremden Gegend herumzuirren, bis er einen Hof mit einem Schweinestall fand. Bei den grunzenden Tieren versteckte er sich unter dem Stroh. Am andern Tag war die Gefahr gebannt, von den Kosaken erwischt zu werden. Tagelang nahm der tapfere Kleinlützler Schweinenahrung zu sich, die ein älteres Mädchen dreimal täglich brachte. Es dauerte aber nicht lange, bis er von diesem entdeckt wurde.

«Ich flehte es jedoch durch Zeichen und Gebärden an, mich nicht zu verraten.» (Dr Schwarzbueb, 1933) So geschah es auch. Und es kam noch besser: Die beiden, der Schwarzbube aus dem fernen Schweizerlande und die polnische Magd, schworen sich die ewige Treue und flüchteten via Deutschland in die Schweiz.

Daheim war man zuerst froh den verlorenen Sohn wieder glücklich und gesund anzutreffen. Aber sogleich konfrontierte man ihn mit dem Vorwurf: «Hier gibt es viel schönere und reichere Mädchen, die dich nehmen würden», meinten sie, «du brauchst keine aus der Fremde zu bringen und dann noch so eine!»

Die Eltern hörten sich die ganze Geschichte an, dann «zogen sie freundlichere Saiten auf». Nach einigen zivilrechtlichen Stolpersteinen durften die Glücklichen heiraten und blieben ein glückliches Paar.

Mündlich überliefert, festgehalten im Schwarzbubenkalender

Auf diese Geschichte bin ich im Schwarzbubenkalender von 1933 gestossen. Erwin Walter zeichnet als Autor. Sein Onkel habe sie mehrmals erzählt, das letzte Mal 1910 im Alter von 83 Jahren. Letzterer habe sie Ende der vierziger Jahre vom heimgekehrten Kleinlützler aufgeschnappt. Genau so entsteht mündliche Überlieferung.

Der Autor meint gegen Ende seines ausführlichen Berichts: «Solch bescheidene Lebensläufe kleiner Leute sind schliesslich gerade so interessant und lehrreich wie diejenigen Grosser, die im Leben mit Ehren überschüttet worden sind, die aber selten ein so reines, stilles Glück geniessen konnten, wie unser einfache Schwarzbub.»

Weiterführende Literatur: «Seltsames Erlebnis eines Schwarzbuben im Jahre 1812», Erwin Walter, in: Dr Schwarzbueb, Jahrgang 1933, S. 59-62, Jeger-Moll Druck und Verlag AB.

Linard Candreia, Laufen, Autor und Landrat, schreibt Kurzgeschichten fürs Wochenblatt.

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