Arbeiten bis zur Erschöpfung

Das Seniorenzentrum Aumatt wurde gleich am Anfang der Pandemie vom Coronavirus überrumpelt. Zwei Mitarbeiterinnen erzählen dem Wochenblatt von ihren Erfahrungen am Höhepunkt der Pandemie.

An der Front: Als Mitarbeiterinnen des Seniorenzentrums Aumatt haben Esther Stutz und Simona Moro die Auswirkungen des Virus hautnah miterlebt.  Foto: Caspar Reimer
An der Front: Als Mitarbeiterinnen des Seniorenzentrums Aumatt haben Esther Stutz und Simona Moro die Auswirkungen des Virus hautnah miterlebt. Foto: Caspar Reimer

Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt, doch Esther Stutz und Simona Moro – beide in leitender Funktion in Seniorenzentrum Aumatt tätig – haben aussergewöhnlich strenge Wochen hinter sich. «Besonders die Zeit Ende März war sehr belastend. Wir funktionierten einfach und arbeiteten bis zur Erschöpfung», erzählt Esther Stutz dem Wochenblatt. Die in Witterswil wohnhafte Pflegefachfrau ist schon zehn Jahre im Seniorenzentrum Aumatt tätig, seit Januar ist sie Stationsleiterin für das Erdgeschoss und leitet als solche ein Team von 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mitte März wurde das Seniorenzentrum in Reinach quasi vom Coronavirus überrumpelt: «Es ging Schlag auf Schlag. Plötzlich hatten wir fünf Bewohner auf der Station, die positiv auf Covid-19 getestet wurden», erzählt Stutz. Es war nicht klar, über welchen Weg das Virus ins Seniorenzentrum gekommen war. «Es waren auch Personen erkrankt, die nur wenig Kontakt mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern haben, sich meistens in ihrem Zimmer aufhalten.» Um dem Virus einen weiteren Zugang ins Haus zu verwehren, wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getestet. Tatsächlich wiesen aus den Reihen des Personals einige ein positives Testergebnis aus: «Diese sind natürlich nicht zur Arbeit erschienen. Einige hatten Symptome wie Atemnot und mussten gar ins Spital, andere zeigten gar keine Symptome.»


16 Stunden ohne Pause
Die bereits infizierten Bewohnerinnen und Bewohner mussten sofort isoliert werden, zudem fielen weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, die der Risikogruppe angehörten. «Mein Tag fing um 6 Uhr morgens an und dauerte bis abends um 22 Uhr. Und dies ohne Pause, ohne etwas zu trinken. Das ging bis zur Erschöpfung», so Stutz. «Morgens um 6 Uhr musste ich mich einlesen, um zu wissen, was in der Nacht passiert ist, zudem mussten die Bewohnerinnen und Bewohner den Mitarbeitenden zugeteilt werden.» Ebenso gehörten Telefone mit Ärzten oder Angehörigen dazu. Im ganzen Haus hatte das Seniorenzentrum Aumatt zehn Bewohnerinnen und Bewohner, die mit dem Virus infiziert waren, vier davon starben mit dem Virus. Stutz dazu: «Ob sie dann wirklich an Covid19 gestorben sind, ist schwer zu sagen. Eine Patientin war mehr als 100 Jahre alt. Da brauchte es nicht mehr viel.» Schwierig sei die Situation für alle Bewohnerinnen und Bewohner gewesen: «Insbesondere Menschen mit Demenz hatten Mühe, sich an die Regeln zu halten. Sie waren mit der Situation überfordert.»


Private Konsequenzen
Simona Moro ist Gruppenleiterin Hausdienst im Erdgeschoss und stellvertretende Gesamtleiterin. Der Hausdienst ist um Reinigung der gesamten Räumlichkeiten sowie um die Wäscherei besorgt. Seit vier Jahren arbeitet die in Aesch wohnhafte Mutter zweier Kinder im Haus. «Wir mussten die Isolationszimmer jeden Tag putzen, duften uns aber nicht mehr als zehn Minuten im Raum aufhalten», erzählt Moro. Man sagt, es daure 15 Minuten, bis das Virus von einer Person zur anderen «gesprungen» sei. «Wir durften die Räume nur in Vollmontur betreten, dazu gehörten Masken, Schutzanzug, Handschuhe und sogar Brillen.»

Die Situation hatte für Simone Moro auch Konsequenzen im privaten Bereich: «Es gab Freunde, die wussten, dass ich im Umfeld von Corona-Patienten arbeite. Diese haben mir freundlich mitgeteilt, dass sie keinen Kontakt wünschen», erzählt sie. Innerhalb des Seniorenzentrums sei der Umgang mit Covid-19-Patienten aber nie ein Problem gewesen. «Wir sind professionell und den Umgang mit kranken Menschen gewohnt», so Stutz. Im privaten Umfeld gehe sie kein Risiko ein, «denn zu Hause lebe ich mit einer gefährdeten Person. Seit der Pandemie haben wir unsere Schlafzimmer getrennt.»


Masken von Privaten
Zwar waren im Seniorenzentrum genügend Masken nach Vorgaben des Bundes und des Kantons vorhanden, doch bekamen die Mitarbeitenden teils auch Unterstützung von unerwarteter Seite: «Private haben uns Masken zur Verfügung gestellt, die sie in ihrem Beruf verwenden», sagt Stutz. Die Schutzkleidung sei nötig gewesen, doch weil diese teilweise aus Plastik bestehe, sei man «extrem ins Schwitzen gekommen». Moro und Stutz sind dieser Tage froh, dass sich die Situation wieder beruhigt hat, doch können sie der strengen Zeit auch Positives abgewinnen: «Die aussergewöhnliche Lage hat zu einem Zusammenrücken im Seniorenzentrum geführt. Das ist ein positiver Aspekt des Ganzen.»

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