Das Rätsel des achten Medaillons

Im Predigerhof sind auf der Südseite des Restaurants an den Wänden acht Stuckmedaillons zu sehen. Sieben davon sind leicht zu lesen, das achte bereitet dagegen auch Kennern einiges Kopfzerbrechen.

<em>Wer ist der Mann mit Schleiertuch und Efeukranz? </em>Das rätselhafte letzte Medaillon ist eine Knacknuss. <em>Foto: Thomas Brunnschweiler</em>
<em>Wer ist der Mann mit Schleiertuch und Efeukranz? </em>Das rätselhafte letzte Medaillon ist eine Knacknuss. <em>Foto: Thomas Brunnschweiler</em>

Wer schon in der südwärts gelegenen verandaähnlichen Stube des Restaurants Predigerhof gesessen ist, wird sie gesehen haben: die acht Stuckmedaillons mit menschlichen Profilen. Die vier an der Innenwand sind gut zu erkennen. Von links nach rechts sind Mozart, Beethoven, Schiller und Goethe dargestellt, zwei Vertreter der musikalischen Klassik und zwei Vertreter der literarischen Klassik. Das Haus wurde 1910 gebaut. Was bewog wohl den Bauherren, hier vier berühmte Männer zu verewigen? Damals wurden Schiller und Goethe noch gelesen. Heute sind sie meist ungeliebte Schullektüre am Gymnasium, falls Lehrpersonen die beiden Klassiker nicht mit Enthusiasmus zum Leben erwecken können.

Eine ungelöste Frage...

Die Profile auf der gegenüberliegenden Wand sind weniger schnell zu identifizieren. Zunächst denkt man an die Musen, weil sich instinktiv eine Verbindung zu den vier Künstlern herstellt. Drei der vier Medaillons zeigen Frauenprofile. Die Frauen tragen jeweils einen Blumen-, einen Ähren- und einen Weinlaubkranz. Es sind Allegorien des Frühlings, des Sommers und des Herbstes. Das letzte Medaillon stellt einen Mann mit einem Schleiertuch und einem Kranz dar. Die gerade Nase und vor allem der Efeukranz sprechen gegen Dante, der stets mit einem Lorbeerkranz dargestellt wird. Nun also, wer ist der Mann auf dem letzten Medaillon?

...und eine plausible Antwort

Plötzlich stellt sich eine Idee ein: Das Medaillon muss den Winter darstellen. Die Darstellung des Winters als alter Mann mit Kapuze findet sich oft. Hier ist der Mann aber jung und trägt einen Efeukranz. Der winterharte Efeu ist im christlichen Sinne ein Symbol für das Überdauern der Seele trotz des leiblichen Todes. Laut Kunsthistoriker Stefan Hess lassen sich neuere Allegorien nicht so einfach decodieren wie noch in der Frühen Neuzeit.

Es stellt sich ein anderer Gedanke ein. Das Schleiertuch könnte auf den Gott Saturn hinweisen, dessen düstere Wesensart durch die Verhüllung des Kopfes angedeutet wurde. Saturn steht für die Melancholie und war der männliche Erdgott, der Gott der Saaten. Dazu war er der Stifter und Vorsteher des italienischen Ackerbaus. Sein Fest, die Saturnalien, fiel auf den 17. Dezember, also in die Winterzeit. Astrologisch wird der Efeu dem Saturn zugeordnet; er ist eine der Saturnpflanzen. Die vier Jahreszeiten stellen auch eine Analogie zu den Lebensaltern dar. Der Winter steht für das Alter und die Hoffnung auf die Auferstehung nach dem Tode und das Wiedererwachen der Wintersaat. Damit wäre eine plausible Erklärung für das letzte Medaillon gegeben, wobei eine Bestätigung in Form eines schriftlichen Zeugnisses fehlt. Die Medaillons zeigen also die klassische Bildung, den bäuerlichen Jahreszyklus und die Lebensalter. Schauen Sie die Medaillons beim nächsten Besuch des Predigerhofs doch einmal genauer an.

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