Wuchtige, filigrane Klänge

Zwischen stoischer Ruhe und Dynamik: Florin Grüter am Hackbrett. Im Hintergrund Dirigent Giorgio Paronuzzi.
Am Sonntagnachmittag liess das Orchester Reinach unter Giorgio Paronuzzi in der katholischen Kirche W. A. Mozart, Paul Huber und Joseph Haydn erklingen. Florin Grüter brillierte solistisch am Hackbrett.
Von: Thomas Brunnschweiler
Mit dem unheimlichen Synkopenmotiv beginnt die Ouvertüre zu «Don Giovanni» von Mozart. Das Stück, in dem sich Dämonie, Leidenschaft und Lebensfreude abwechseln, vermochte trotz der beeindruckenden Klangfülle nicht in allen Teilen zu befriedigen, denn zeitweilig geriet das harmonische Gefüge etwas aus dem Gleichgewicht. Umso überzeugender wirkten die Streicher in Paul Hubers «Konzert für Hackbrett und Streicher» von 1994. Das Werk bewegt sich zwar in den Grenzen der neoklassischen Ins-trumentalkonzerte, ist aber aufgrund der seltenen Präsenz des Hackbretts in der E-Musik eine musikalische Perle. Der im Toggenburg aufgewachsene Komponist Paul Huber (1918–2001) war vorzugsweise der Tradition von Anton Bruckner verpflichtet. Hubers markanter Kopf, sein wallendes Haar und die obligate Fliege bleiben jedem, der an der Kantonsschule St. Gallen bei ihm Musikunterricht genoss, in Erinnerung – auch dem Schreibenden.
Feinsinniger Virtuose am Hackbrett
Der 30-jährige Florin Grüter, der seit seinem 9. Lebensjahr Hackbrett spielt, beherrscht sein Instrument meisterlich. Im ersten Satz von Hubers Konzert setzt die Melodie elegisch ein. Zwischen Hackbrett und Orchester entwickelt sich ein Dialog bis zum spannungsvollen Allegro, in dem Pizzicati den Hackbrettklang verstärken. Im zweiten Satz lässt Huber den Solisten das Volkslied «Schönster Abendstern» variieren, einmal volkstümlich, einmal in fast orientalischer Manier.
In den synkopischen Rhythmen des Rondo/Allegro ma non troppo legen die Streicher einen Teppich, über welchen die Hackbretttöne zu trippeln scheinen. Langsame Passagen wechseln sich mit tänzerischen, appenzellisch klingenden Weisen ab und führen nach der Reprise des Hauptmotivs zum Finale. Hubers Werk besticht durch kompositorisches Raffinement, Facettenreichtum und Originalität. Florin Grüter spielte dynamisch differenziert, virtuos und mit musikalischem Einfühlungsvermögen. Leider wurde sein Klang manchmal etwas vom Orchester überdeckt. Als Zugabe erklang ein entzückendes Grazioso aus der G-Dur-Sonate von Angelo Conti.
Höhepunkt der Klassik
Die 104. Sinfonie, die «London», ist die letzte Sinfonie von Joseph Haydn, ein Schlüsselwerk der Klassik, da sie schon auf Beethoven verweist. Der erste, wohl thematisch reichste Sonatensatz von Haydn wurde von Giorgio Paronuzzi dynamisch gut akzentuiert. Das Orchester entwickelte einen homogenen, majestätischen Gesamtklang, an dem die starken Bläser ihren Anteil hatten. Durch gutes Timing bei den Fermaten riss der Spannungsbogen nie ab. Im Andante, das mit einem einfach-galanten Thema einsetzt, überzeugte das Orchester mit geschmeidiger Agogik. Das Finale, in welchem sich ein volksliedartiges Motiv mit einem lyrischen Gegenthema abwechselt, bot den Bläsern nochmals einen prominenten akustischen Auftritt. Ein lang anhaltender Applaus war die wohlverdiente Anerkennung für eine beachtliche Leistung.