Waldrappdame: Spektakulärer als Belinda Bencic

Letzten Samstag konnte in Reinach ein Waldrapp beobachtet werden. Die Vögel gehören zu den am stärksten bedrohten Vogelarten weltweit.

Zu Besuch in Reinach: Giorgia wurde im Tierpark Rosegg in Österreich geboren und ist Teil eines Artenschutzprojekts. Foto: Toni Dürrenberger
Zu Besuch in Reinach: Giorgia wurde im Tierpark Rosegg in Österreich geboren und ist Teil eines Artenschutzprojekts. Foto: Toni Dürrenberger

Wer schon einmal im Zoo Basel war, hat höchstwahrscheinlich schon einmal einen Waldrapp gesehen. In freier Wildbahn hingegen dürfen dies wohl die wenigsten von sich behaupten. Der Reinacher Toni Dürrenberger, Hobby-Naturfotograf und Storchen-Verantwortlicher beim Erlenhof, gehört seit vergangenem Samstag dazu. «Eigentlich war der Samstagnachmittag für Belinda Bencic und ihr Spiel um Olympia-Gold reserviert», erzählt er lachend. Als er dann aber den Anruf einer Kollegin bekam, dass beim Modellflugplatz in der Nähe des Erlenhofs ein Waldrapp beim Fressen beobachtet werden könne, hatte Belinda Bencic das Nachsehen. «Ich liess alles stehen und liegen und machte mich sofort auf den Weg», sagt Dürrenberger. Dies zahlte sich aus, konnte er doch eine Reihe eindrücklicher Fotos des Tiers machen. Auch eine Identifikation des Waldrapps war aufgrund eines Rings möglich: Es handelte sich um Giorgia, ein im Tierpark Rosegg in Österreich geborener und in Überlingen am Bodensee aufgezogener Vogel.

Giorgia ist Teil des Artenschutzprojekts zur Wiederansiedlung der Waldrappen in Überlingen am Bodensee. Seit 2017 werden dort jährlich bis zu 32 Waldrappen von Hand aufgezogen. Dafür werden die Waldrappküken, die von ihren biologischen Eltern in Partner-Institutionen wie dem Tierpark Rosegg ausgebrütet wurden, nach drei bis acht Tagen aus dem Nest entnommen und von da an von menschlichen Zieheltern betreut und aufgezogen.

Sobald die Jungvögel flügge werden, erfolgt der Umzug ins Trainingscamp Überlingen. Dort geht es darum, die enge soziale Beziehung zwischen Waldrappen und Zieheltern weiter zu festigen. Diese Beziehung ist essenziell, denn die Waldrappen müssen ihren Zieheltern so weit vertrauen, dass sie ihnen auch folgen, wenn diese ihnen in motorisierten Hängegleitern vorausfliegen. Nach erfolgreich abgeschlossenem Training geht das Abenteuer dann erst richtig los: Zusammen machen sich die Zieheltern und ihre Waldrappen auf den Weg Richtung Toskana. Dort verbringen die Vögel eigenständig bis zu drei Jahre, um dann spätestens mit Eintritt der Geschlechtsreife selbstständig zurück ins Brutgebiet zu ziehen, dass sich gleich neben dem Trainingscamp in Überlingen befindet.

Ansiedlung scheint zu gelingen

Auf dem Weg Richtung Brutstätte am Bodensee befindet sich auch die in Reinach beobachtete Giorgia. Eilig scheint es die Waldrapp-Dame aber nicht besonders zu haben. Während zahlreiche ihrer Artgenossen schon in Überlingen eingetroffen und am Brüten sind, hält sich Giorgia seit April im Berner Seeland und seit Neuem auch in der Region Basel auf.

Früher oder später wird aber auch sie sich an den Bodensee begeben, um dort zu brüten und ihre Jungen aufzuziehen. Diese werden ihr dann kommenden Herbst ins Wintergebiet in die Toskana folgen, dort bis zu ihrer eigenen Geschlechtsreife bleiben und dann selbst wieder ins Brutgebiet migrieren. Durch diesen Kreislauf soll der Waldrapp wieder nach und nach in Überlingen und in der ganzen Schweiz angesiedelt werden.

Dass das Projekt funktioniert, zeigen die laufend gemeldeten Beobachtungen von freilegenden Waldrappen aus der ganzen Schweiz. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass sich Toni Dürrenberger den Olympia-Final im Tennis 2024 in aller Ruhe ansehen kann.

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