Perfides Geschäftsmodell

Für die Drahtzieher ist es ein lukratives Geschäftsmodell, für die Opfer – meist Senioren – nicht selten der Verlust ihrer gesamten Ersparnisse und das bleibende Gefühl von Ohnmacht und Scham.

«Falschen Polizisten» keine Chance geben: Astrid Bucher, Mediensprecherin der Kantonspolizei Solothurn. Foto: polizei
«Falschen Polizisten» keine Chance geben: Astrid Bucher, Mediensprecherin der Kantonspolizei Solothurn. Foto: polizei

Die Masche mit den «falschen Polizisten» ist kein unbekanntes Phänomen. Die Schlagzeilen reissen nicht ab: «Falsche Polizisten erbeuteten 180000 Franken» oder «Frau deponiert Goldbarren hinter Parkbank». Schweizweit und über die Grenzen hinaus sind die Betrüger aktiv. Allein in der Region Dorneck-Thierstein wurden der Kantonspolizei Solothurn in diesem Jahr 60 Betrugsversuche gemeldet. In zwei Fällen erbeuteten die Täter rund 40000 Franken. Ähnlich im Kanton Baselland, auch hier sprechen die Beamten von einer regelrechten Betrugswelle.

Das Fatale: Trotz vermehrter Öffentlichkeitsarbeit und Präventionskampagnen kommen die Betrüger immer wieder an ihr Ziel. Die Vorgehensweise verläuft meist nach dem gleichen Prinzip. Am Anfang steht ein einfacher Telefonanruf: «Ihr Geld ist in Gefahr!»

Die angeblichen Polizisten erklären, dass sie soeben ein Mitglied einer Einbrecherbande festgenommen haben. Im Notizbuch des Einbrechers habe man die Adresse des Angerufenen gefunden. Es sei zu befürchten, dass auch bei ihm eingebrochen würde. Dann wird das Opfer zur Sicherung der Vermögenswerte aufgefordert, diese, bis die Gefahr vorüber ist, der «Polizei» zu übergeben oder an einem bestimmten Ort zu hinterlegen. Das klingt simpel und leicht durchschaubar, möchte man meinen.

Doch ganz so einfach ist es nicht, hält Astrid Bucher, Mediensprecherin der Kantonspolizei Solothurn, fest. «Die Betrüger werden immer dreister und appellieren an die Hilfsbereitschaft der Menschen. Durch geschickte Gesprächsführung wird eine Atmosphäre erzeugt, in der die Opfer in die Pflicht genommen werden. Dabei üben die Betrüger massiven psychischen und zeitlichen Druck aus. Die Angerufenen werden regelrecht überrumpelt und befolgen nur noch die Anweisungen, ohne zu hinterfragen.»

Wie sie darauf reinfallen konnten, ­können die Betroffenen im Nachhinein selbst nur schwer nachvollziehen. Die Scham ist gross und somit auch die Dunkelziffer.

Grosses Kino, wie im Krimi

Die «falschen Polizisten» sind exzellent vorbereitet, bauen ein Szenario auf, dass gerade für die ältere Generation schwer zu durchschauen ist. So ist es den Betrügern technisch möglich, die Anzeige im Telefondisplay so zu manipulieren, dass die «echte» Polizeinotfallnummer 117 angezeigt wird. Um noch glaubhafter zu wirken, fordern die Betrüger die Opfer teilweise dazu auf, die bekannte Notfallnummer zurückzurufen. Da die Leitung aber nicht unterbrochen wird, sind die Opfer nicht mit der Polizei, sondern noch immer mit den Betrügern verbunden. Da werde grosses Kino aufgeboten und keine Mühe gescheut. «Die Angerufenen sprechen in den Telefonaten oftmals mit unterschiedlichsten Personen, angeblichen weiteren verdeckten Ermittlern, Hauptkommissaren, Staatsanwälten. Im Hintergrund zum Mithören: Sirenengeheul oder Funkgespräche.»

Spuren führen in die Türkei

Die Spuren der falschen Polizisten führen in die Türkei, informiert Astrid Bucher. «Hier betreiben die Hintermänner eigens dafür eingerichtete Callcenter. Die Anrufer sind meist türkischstämmig, in der Schweiz, Deutschland oder Österreich aufgewachsen und somit der deutschen Sprache mächtig. Während die Drahtzieher ihre Telefonate von der Türkei aus führen, sind weitere Personen, sogenannte Logistiker, lokal vor Ort. Sie rekrutieren und leiten die eigentlichen Geldabholer und sind für den Vermögenswert-Transfer ins Ausland verantwortlich. Die Geldabholer, hierarchisch gesehen an unterster Stufe, sind meist Kleinkriminelle, die von den Logistikern engmaschig überwacht werden und selbst unter immensem Druck stehen. Wie die Gruppierung im Detail aufgebaut ist und wer effektiv dahintersteht, wissen die Geldabholer oder Botengänger in der Regel nicht.»

Ein bis ins Detail ausgeklügeltes System, dem schwer beizukommen ist. Die Polizei setzt vermehrt auf Prävention. «Wir sind sehr aktiv, gehen an die Öffentlichkeit, informieren Banken und Institutionen wie Spitex oder Pro Senectute, die wiederum die Seniorinnen und Senioren über diese üblen Machenschaften aufklären und davor warnen.

Eines ist sicher: Der Einfallsreichtum dieser Banden ist gross, ob «verdeckte Ermittlung» gegen die Hausbank wegen Falsch- oder Schwarzgeld (hier werde das Opfer dazu gebracht, Testgeld zu beziehen und zur Überprüfung der «Polizei» zu übergeben) oder die Geschichte vom Verkehrsunfall eines Familienangehörigen im Ausland, der nun dringend Geld brauche. Solange Geld fliesst, werden die Betrügereien kein Ende nehmen.

Tipps der «richtigen» Polizei

Sprich über das Phänomen: Die jüngere Generation sollte das Phänomen des «falschen Polizisten» mit Eltern, Verwandten und Bekannten besprechen und sie auf die Gefahren hinweisen.

Seien Sie misstrauisch: Immer wieder kommt es vor, dass die Betrüger die Opfer auffordern, die Nummer 117 zurückzurufen. Durch technische Manipulation ist es möglich, dass man bei einem Rückruf immer noch mit den Betrügern verbunden ist. Darum die Telefonleitung unbedingt unterbrechen oder noch besser ein anderes (zweites) Gerät dafür verwenden (zum Beispiel Handy statt Festnetztelefon).

Der «falsche Polizist» hat keine Uniform an, ist zivil gekleidet und kommt nicht mit dem Streifenwagen (Polizeiauto).

Die «richtige» Polizei informiert Sie niemals telefonisch über Einbrüche oder Verhaftungen von Einbrechern.

Die «richtige» Polizei ruft Sie niemals an, um Sie über Ihre finanziellen Verhältnisse und/oder über Ihre Wertsachen auszufragen.

Die «richtige» Polizei würde niemals Geld oder Wertsachen für Sie aufbewahren.

Polizei Kanton Solothurn

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