Mensch, Musiker, Mythos

Das Beethoven-Jubiläumsjahr wurde überschattet von der Corona-Krise. Doch jetzt gibt es Beethoven am Goetheanum wieder live zu hören.

Nehmen Beethoven wieder auf: Giovanni Barbato und Hristo Kazakov auf der Goetheanumbühne.  Foto: Thomas Brunnschweiler
Nehmen Beethoven wieder auf: Giovanni Barbato und Hristo Kazakov auf der Goetheanumbühne. Foto: Thomas Brunnschweiler

Roll over, Beethoven, sang Chuck Berry in den 1950er-Jahren, und 1969 stürmte die Band Ekseption mit ihrer Interpretation der 5. Sinfonie die niederländische Hitparade und Schweizer Wohnzimmer. Beethoven war schon zu seiner Zeit ein Popstar. Heute ist er von der Filmmusik bis zum Klingelton Allgemeingut der Populärkultur. Und der Mensch Beethoven? Er hätte ein Baselbieter sein können: arbeitsam, fleissig, geschäftstüchtig und sparsam, selbstbewusst, grüblerisch und leutselig zugleich, ein Revoluzzer gegenüber den Obrigkeiten. Er trug, anders
als sein Lehrer Haydn, keine Perücke mehr, war ein gewiefter Unternehmer und hinterliess ein ziemlich grosses Vermögen. Zu seinem Gönner Prinz Karl Lichnowsky soll er einmal gesagt haben: «Es gibt viele Prinzen, aber nur einen Beethoven.»


Den Meister entdecken
Für Beethoven das Wort Titan zu benutzen ist nicht übertrieben. Er stiess mit seiner Musik die Tür zum 19. Jahrhundert und zur modernen Musik auf. Das Handwerk lernte er bei Haydn, den Kontrapunkt bei Johann Sebastian Bach, das Heroische in der Revolutionsmusik aus Frankreich, die Liebe zur Natur von Rousseau. Wie Bach war er ein philosophischer Komponist. In einem gleicht er Napoleon: Er war wie dieser ein grosser Stratege und ein unberechenbarer Taktiker. Er revolutionierte die Sinfonie, aber auch andere Gattungen. Im zweiten Satz der 32. Klaviersonate «erfand» Beethoven übrigens den Boogie-Woogie-Rhythmus. Der Beethoven der 5. Sinfonie, der Pastorale und der 9. Sinfonie, des Klavierstücks «Für Elise» ist den meisten bekannt. Aber man höre sich einmal das Streichquartett in a-Moll op. 132 an, wie modern das klingt! Schliesslich ist die «Grosse Fuge» op. 133 so avantgardistisch, dass sie selbst für moderne Hörer teilweise eine Zumutung darstellt, bleibt doch Beethoven praktisch immer im Forte. Hier verbindet der Komponist die Kunst der Fuge mit einem totalen Ausbrechen aus allen Konventionen. Bachs «Wohltemperiertes Klavier» wurde vom Musiker Hans von Bülow als «Altes Testament der Klaviermusik» betitelt, die 32 Klaviersonaten von Beethoven als «Neues Testament der Klaviermusik». Es gibt also beim grossen Meister noch vieles zu entdecken.


Beethoven am Goetheanum
Die Konzertreihe mit Beethovens Violinsonaten mit Hristo Kazakov (Klavier) und Giovanni Barbato (Violine) wird am Goetheanum am 4. Oktober wieder aufgenommen. Neben einer Violinsonate von César Franck werden die Sonate Nr. 6 in A-Dur op. 30 Nr. 1 und die Sonate Nr. 8 in G-Dur op. 30 Nr. 3 von Ludwig van Beethoven zu hören sein. Die Violinsonaten Opus 30 schrieb Beethoven im Jahr 1802, als er sich seiner beginnenden Taubheit schmerzhaft klar wurde. Diese Violinsonaten sind noch klassisch verspielt und lyrisch heiter, wobei sich schon das Heroische ankündigt. Der Beethoven-Zyklus wird im Dezember 2020 und im Jahre 2021 fortgesetzt. Diese Konzerte sollte man sich nicht entgehen lassen.

 Kazakov/Barbato: Ludwig van Beethoven, Sonaten Nr. 6 und 8, Grosser Saal des Goetheanums, 4. Oktober,
16 Uhr. www.goetheanum-buehne.ch

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