Die besten Physiker, die Münchenstein je gesehen hat

Am vergangenen Freitagabend führte das Theater Münchenstein «Die Physiker» von Friedrich Dürrenmatt auf. Die Premiere war ein voller Erfolg.

Hin- und hergerissen: Der Physiker Johann Wilhelm Möbius (Patrick Devos, Mitte) wird in der psychiatrischen Anstalt von Isaac Newton (Paul Klee, rechts) und Albert Einstein (Andreas Witmer, hinten) beeinflusst.  Foto: ZVG
Hin- und hergerissen: Der Physiker Johann Wilhelm Möbius (Patrick Devos, Mitte) wird in der psychiatrischen Anstalt von Isaac Newton (Paul Klee, rechts) und Albert Einstein (Andreas Witmer, hinten) beeinflusst. Foto: ZVG

Das Stück beginnt mit einem Mord: In einer Irrenanstalt wurde eine Schwester von ihrem Patienten Ernst Heinrich Ernesti erdrosselt. Ernesti selbst glaubt, der weltberühmte Physiker Einstein zu sein. Und er ist nicht der Einzige mit einer etwas verschobenen Wahrnehmung, wie das Publikum schnell erfährt. Neben Herbert Georg Beutler, der sich für den Physiker Isaac Newton hält, lebt auch Johann Wilhelm Möbius im Sanatorium. Er proklamiert, seine bedeutenden physikalischen Entdeckungen seien ihm vom König Salomo befohlen worden.
Dass auch die Leitung und die Schwestern des Sanatoriums psychisch nicht ganz gesund sind, wird schon im ersten Akt klar. Die plötzliche Wendung, die das Stück im zweiten Akt dann jedoch nimmt, kommt völlig unvorhergesehen. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.


Durchgehend hohes Niveau
Im Moment hat Münchenstein sicherlich die besten Physiker. Denn die Laienschauspieler vom Theater Münchenstein haben sich mit ihren Rollen intensiv auseinandergesetzt und konnten dadurch am Freitagabend im Theatersaal der Rudolf Steiner Schule Münchenstein eine perfekte Premiere feiern. Die strengen Proben der letzten Monate zahlten sich voll und ganz aus. Jede Zeile sass und auch Pannen gab es bei der Premiere keine – jedenfalls nicht so, dass es dem Publikum aufgefallen wäre. Die Komödie fesselte die Zuschauer von Anfang bis zum unerwarteten Ende und nahm sie mit auf eine Reise in die Welt der Wissenschaft, die sich immer auf einem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn bewegt.
Doch «Die Physiker» ist weit mehr als eine Komödie über drei verrückte Wissenschafter: Das Stück enthält tiefe gesellschaftskritische Momente, die zum Nachdenken anregen. Denn die in den 1960er-Jahren thematisierte atomare Bedrohung beschäftigt uns auch heute noch – und den Schauspielern des Theaters Münchenstein gelingt es hervorragend, moderne Gesellschaftskritik subtil in das Stück einzubinden.
Zur perfekten Stimmung trug auch das Bühnenbild einen grossen Teil bei. Regisseur Danny Wehrmüller schaffte es zudem erfreulicherweise, die Komödie nicht vollkommen neu zu inszenieren und es dennoch sehr modern wirken zu lassen. Seine Mundartbearbeitung funktionierte hervorragend. Zur perfekten Stimmung hatte auch das Bühnenbild einen massgeblichen Anteil: Unzählige Physikformeln, Zeichnungen und Abbildungen an Wänden und sogar auf dem Fussboden zierten die Bühne, das antike Mobiliar und die teilweise schummrige Beleuchtung machten die Atmosphäre einer privaten Klinik perfekt.


Ursprung im Kalten Krieg
Die Tragikomödie «Die Physiker» wurde 1962 in Zürich uraufgeführt. Mitten im Kalten Krieg brachte Friedrich Dürrenmatt damit ein Thema auf die Theaterbühne, das die ganze Menschheit beschäftigte: Welche Möglichkeiten bringt die Physik und was geschieht, wenn physikalische Entdeckungen in die falschen Hände geraten? Nur ein paar Monate nach der Uraufführung des Stücks stand die Welt wegen der Kuba-Krise kurz vor einem Atomkrieg. Heute werden «Die Physiker» – trotz dem grossen Erfolg seinerzeit – nur noch selten aufgeführt. Nutzen Sie also diese Chance und lassen Sie sich vom Theater Münchenstein in die Welt verrückter Physiker mitnehmen. Das nächste Mal aufgeführt wird das Stück morgen um 20 Uhr im Theatersaal der Rudolf Steiner Schule. Weitere Spieldaten finden Sie auf der Website.
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