Luxemburg in der EU als Vorbild für die Schweiz?

Der luxemburgische Botschafter in der Schweiz Jean-Claude Meyer referierte am Gymnasium Münchenstein über die Rolle seines Landes in der EU und zog Vergleiche zur Schweiz.

«Für mich ist EU-Recht kein fremdes Recht»: Jean-Claude Meyer, der luxemburgische Botschafter, referiert am Gymnasium Münchenstein. Foto: Tobias Gfeller
«Für mich ist EU-Recht kein fremdes Recht»: Jean-Claude Meyer, der luxemburgische Botschafter, referiert am Gymnasium Münchenstein. Foto: Tobias Gfeller

Es war ein Werbespot für die Europäische Union, den Botschafter Jean-Claude Meyer den Schülerinnen und Schülern von mehreren dritten Klassen des Gymnasiums Münchenstein vorgetragen hatte. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Fachrichtung «Politische Bildung» und der Sonderwoche «Supranationale Organisationen» statt. Die rund hundert Schülerinnen und Schüler wirkten nach den gut 70 Minuten Frontalunterricht und der Informationsflut etwas erschlagen.

Eigentlich hätte Jean-Claude Meyer bereits vor zwei Jahren am Gymnasium Münchenstein auftreten sollen, doch Corona machte seinen Besuch anlässlich des Europatages unmöglich. Gekommen ist «seine Exzellenz» zur Erklärung der Rolle von Luxemburg in der EU. Die Botschaft war unmissverständlich: Luxemburg profitiert als kleiner Staat von der Mitgliedschaft in der EU, die Vorteile überwiegen die Nachteile.

Mehrfach merkte Jean-Claude Meyer an, dass das Konstrukt EU mit seinen unzähligen Gremien in der Schweiz nicht richtig verstanden werde. Ob der Europäische Rat, die Kommission, der Ministerrat, das weltweit grösste internationale demokratisch gewählte Parlament oder der Gerichtshof – der Botschafter von Luxemburg in der Schweiz erklärte detailliert deren Bedeutungen und Funktionen. Die EU sei nach Indien die zweitgrösste Demokratie, erinnerte Meyer am Montag in der Aula des Gymnasiums Münchenstein.

Besetzt im Zweiten Weltkrieg

Der Botschafter machte von Beginn weg klar, dass er nichts Widersprüchliches zur Meinung der Regierung zu Hause in Luxemburg sagen dürfe. Bis zum Zeiten Weltkrieg war Luxemburg ähnlich wie die Schweiz bis heute militärisch neutral. Trotzdem wurde der kleine Beneluxstaat südlich von Belgien und westlich von Deutschland von Nazi-Deutschland überfallen und besetzt. «Das war für Luxemburg ein Schock, weil man nicht damit gerechnet hatte», erklärte Meyer. Wenige Jahre nach Ende des Krieges schloss sich Luxemburg internationalen Organisationen an. Mit der Verfassungsänderung wurden 1956 souveräne Rechte an internationale Institutionen abgetreten.

Es habe damals ähnliche Ängste im Land gegeben wie heute in der Schweiz. «Verlieren wir an Handlungsspielraum? Welche Auswirkungen hat die Personenfreizügigkeit?» Für Jean-Claude Meyer waren die Ängste damals unbegründet. «Luxemburg kann sich als kleiner Staat aktiv in der EU einbringen wie jeder andere Mitgliedstaat auch. Wir hätten ausserhalb der EU keinen grösseren Spielraum.»

Auch die Angst vor sinkenden Löhnen sei unbegründet gewesen. «Auf dem Papier sind wir vielleicht weniger souverän als vorher. Wichtiger ist aber der Einfluss, den wir innerhalb der EU nehmen können, insbesondere dann, wenn es unser Land selber betrifft.»

«Heute redet Luxemburg mit»

Der luxemburgische Botschafter, der mit diesem Referat auch andere Gymnasien und Kantonsschulen besucht, ist überzeugt, dass der Anschluss von Luxemburg an Supranationale Organisationen dem Land mehr geholfen als geschadet habe. «Für mich ist EU-Recht kein fremdes Recht», stellte er klar und erinnerte damit an die Kritik aus SVP-Kreisen an «fremde Richter aus der EU». Sämtliche Mitgliedsstaaten seien in den Gremien vertreten und hätten die gleichen Rechte und Pflichten. «Früher wurde über Luxemburg geredet, heute redet Luxemburg mit», lautete einer der prägenden Sätze von Jean-Claude Meyer.

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