Von fantastischen Kartoffeln und realen Robotern

Künstliche Intelligenz und digitale Selbstdarstellung: Im HEK sind derzeit Werke der Preisträgerinnen des Pax Art Awards 2020 zu sehen.

Was ist was? In Simone C. Niquilles Arbeiten stellt sich die Frage, wie Roboter Objekte erkennen können.

Was ist was? In Simone C. Niquilles Arbeiten stellt sich die Frage, wie Roboter Objekte erkennen können.

Im Lockdown entstanden: Das Video «Dinner Party» hat Maria Guta ganz alleine mit Tisch, Kamera und Computer produziert. Fotos: ZVG

Im Lockdown entstanden: Das Video «Dinner Party» hat Maria Guta ganz alleine mit Tisch, Kamera und Computer produziert. Fotos: ZVG

Im Haus der Elektronischen Künste HEK vermischt sich das Reale mit dem Fiktiven, das Analoge mit dem Digitalen. Drei Einzelausstellungen, die seit Mittwoch vergangener Woche zu sehen sind, zeigen dies wieder einmal eindrücklich: Da ist etwa die Kunstinstallation des Schweizer Duos Monica Studer und Christoph van den Berg, Koryphäen auf dem Gebiet der elektronischen Kunst, die von einem Forschungsprojekt, das sich mit den Grundlagen für ein lernendes Netzwerk, aus dem ein digitales Bewusstsein entstehen soll, beschäftigt. Auf die Frage eines Journalisten beim Presserundgang, ob dieses Forschungsprojekt auf einer realen Grundlage beruhe, also quasi wirklich existiere, entgegnete der Künstler etwas erstaunt: «Nein, selbstverständlich nicht.» Die neue Installation mit dem Titel «An Entity of Unknown Status» bedient sich zwar auf eine vertiefte und detailgetreue Art und Weise realer Fragestellungen, die bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz eine Rolle spielen, doch ist die Geschichte unter dem Strich frei erfunden und kippt dann auch ins Fantastische, wie etwa an Strom angeschlossene Kartoffeln oder eine KI in einer Holzkiste, die den Besuchern Weisheiten mit auf den Weg gibt, zeigen. Eine weitere Arbeit von Studer und van der Berg mit dem Titel «T.R.I.P. Transcendence for Real and Implicit Personalities» macht wieder ein hypothetisches Forschungsprojekt um drogeninduzierte Bewusstseinserweiterung von digitalen Geräten zum Thema.

Stein oder Stuhl?

Die zweite Ausstellung zeigt Werke der in Rumänien geborenen und in der Schweiz arbeitenden Künstlerin Maria Guta, wobei es bei ihrer Arbeit nicht um Forschungsprojekte, sondern um Selbstdarstellung im digitalen Raum, konkret auf Instagram, geht. «The Many Lives of Lola Lane» besteht aus 85 Selfies, welche die Künstlerin seit 2017 auf ihren Alter-Ego-Account gepostet hat, wobei der fiktive Charakter Lola Lane bestimmte Stereotype von Selbstdarstellungen in sozialen Medien verkörpert. Thematisch ähnlich gelagert ist ihr Video «The Soothsayings of Iris» und ebenfalls sehenswert ihre ganz neue Arbeit «Dinner Party», die während des Lockdowns in Bukarest gedreht wurde: Sie zeigt unterschiedliche digitale Persönlichkeiten, einige von ihnen sehr fantastisch und surreal, die an einem Tisch sitzend gemeinsam Faxen machen. Maria Guta hatte dafür jede einzelne Figur dargestellt, aufgezeichnet und bearbeitet – eine aufwendige, aber gute Aufgabe in der Isolation des Lockdowns, wie die Künstlerin erzählt. Die dritte Ausstellung spannt wieder einen Bogen zur ersten, weil es auch da wieder um die Entwicklung von künstlicher Intelligenz geht: Simone C. Niquilles Werk mit dem Titel «Sorting Song» arbeitet mit Datensätzen aus der tatsächlich existierenden technischen Hochschule Imperial College London, die für die Entwicklung zukünftiger Haushaltsroboter zusammengestellt wurden. «Homeschool» setzt sich dann damit auseinander, wie Roboter Objekte in einer häuslichen Umgebung erkennen und verstehen können. Um dies zu verdeutlichen, ist neben der Videoinstallation ein Stein zu sehen, der an der Oberseite abgeflacht ist und aus dem sich die Frage ableiten lässt: Wann ist ein Stein ein Stein? Wann ist er ein Stuhl? Oder wann ist es keines von beidem?

Drei Preisträger

Das Künstlerduo Studer und van den Berg sowie die Künstlerinnen Guta und Niquille sind Preisträger des Pax Art Awards 2020. Seit 2018 wird der Preis von der Art Foundation Pax verliehen, einer Stiftung zur Förderung der digitalen und bildenden Kunst. Die drei Einzelausstellungen unter dem Titel «Schweizer Medienkunst. Pax Art Awards 2020» sind bis am 15. August im HEK zu sehen. Weitere Informationen: www.hek.ch

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