Corona-Kino und virtuelle Kaffeepausen

Die Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Münchenstein mit ihren rund 750 Studierenden ist ein Ort des künstlerischen Schaffens und Forschens. Im Gespräch mit der neuen Direktorin Prof. Dr. Claudia Perren über Fernunterricht und neue Formate.

Campus der Künste: Die neue Direktorin Prof. Dr. Claudia Perren vor der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW auf dem Dreispitzareal Münchenstein. Foto: Marianne Vetter
Campus der Künste: Die neue Direktorin Prof. Dr. Claudia Perren vor der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW auf dem Dreispitzareal Münchenstein. Foto: Marianne Vetter

Frau Perren, Sie sind seit August 2020 die neue Direktorin der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Wie haben Sie sich eingelebt?

Sehr gut, es ist eine grosse Freude hier zu sein, auch wenn alles etwas von Covid-19 überdeckt ist. Von meinen Kolleginnen und Kollegen und den Mitarbeitenden wurde ich sehr herzlich empfangen und wir sind schnell gemeinsam in die Arbeit eingestiegen. Ich hatte auch die Gelegenheit, Studierende zu treffen und in einen guten Austausch mit ihnen zu treten. Auch die Kulturinstitutionen um die Hochschule herum lernte ich bereits kennen und wir haben schon viele Ideen für gemeinsame Projekte. Letzten September konnten wir die Diplomausstellung «Next Generation» hybrid eröffnen und die Diplomübergabe in einem der Covid-19-Pandemie angemessenem Rahmen vor Ort feiern; der Semesterstart konnte ebenfalls weitgehend vor Ort stattfinden, das war nicht selbstverständlich und ist darum umso schöner.

Kurz darauf kündigte sich die zweite Corona-Welle an. Fühlen Sie sich als ­Krisenmanagerin?

Es ist eine ungewöhnliche Situation, da der ganze Hochschulbetrieb von der ­Covid-19-Pandemie geprägt ist. Wir beschäftigen uns laufend mit neuen Möglichkeiten der digitalen Lehre und immer wieder mit Massnahmen um die Corona-Regeln. Da ist Flexibilität und Agilität gefragt. Krisenmanagerin bin ich dabei nicht alleine, das sind wir im Moment wohl alle zusammen.

Vorlesungen und Seminare finden ausschliesslich am Bildschirm statt. Wie gestaltet sich der Alltag in der Praxis?

Unsere Studierenden sind uns sehr wichtig – wir möchten ihnen, gerade in dieser anspruchsvollen Zeit, nach wie vor spannende Lehrinhalte bieten und ihnen einen guten Austausch über ihre Projekte ermöglichen. Das ist eine herausfordernde Situation. Aus dieser Zeit des Wandels und der Unwägbarkeiten sind an der Hochschule aber auch Projekte entstanden, die der Situation Rechnung tragen, sie reflektieren und mit neuen Ideen auf sie reagieren. Beispielsweise entstand in unserem Institut Kunst das Projekt «Corona Kino», eine digitale Plattform, auf der Studierende und internationale Kunstschaffende ihre Arbeiten zu den Themen «Managing Life» und «Ocean Nature» über virtuelle Wege sichtbar machen können – eine Alternative zum derzeitig eingeschränkten physischen Ausstellen von Kunst.

Ersetzen digitale Tools für Kommunikation und «virtuelle Kaffeepausen» den physischen Austausch?

Sie sind eine Möglichkeit in der jetzigen Situation miteinander in Kontakt zu bleiben, wir testen hier in der Tat verschiedene Formen des digitalen Beisammenseins. So haben wir zum Beispiel für Studierende das Format «Meditation Challenge» lanciert, ein digitales morgendliches Treffen, um gemeinsam in den Tag zu starten, was sehr gut angenommen wurde und wofür wir tolles Feedback bekommen haben. Aber natürlich freuen wir uns alle schon, wenn wir wieder gemeinsam auf dem Freilager-Platz und in den Ateliers aufeinandertreffen werden.

Gibt es Arbeitstätigkeiten von Studierenden die zwingend vor Ort ausgeführt werden müssen?

Wir haben das Glück, uns derzeit nicht in einem kompletten Lockdown zu befinden. Die Studierenden haben die Möglichkeit unsere Werkstätten zu nutzen. Auch Eins-zu-eins-Werkbesprechungen sind in Ausnahmefällen vor Ort möglich. Auch gewisse Prüfungssituationen transferieren wir nicht ins Digitale, da der physische Raum dabei unabdingbar ist. Die Materialität der Kunst- und Designausbildung erfordert immer wieder einen physischen Umgang mit derselben. Dabei wird aber strengstens auf die Umsetzung des Schutzkonzeptes geachtet, denn die Sicherheit und Gesundheit aller muss höchste Priorität haben.

Das Virus wird Ihre Arbeit und die der Studierenden wohl noch eine Weile beeinflussen. Wo sehen Sie die Gefahren? Wie sieht es mit der Motivation der Studenten aus?

Wichtig ist es und wird es auch in Zukunft sein, im Austausch zu bleiben. Wir sind alle Pandemie-müde und es ist wichtig, einander Sorge zu tragen und zu erkennen, was möglich ist und was aber eben auch nicht. Für unser Virtuelles Open House, welches im Januar stattgefunden hat, haben unzählige Studierende innert kürzester Zeit unglaublich spannende Projekte realisiert. Da war eine grosse Motivation zu spüren. Hier zeigt sich das kreative Potenzial unserer künftigen Künstlerinnen und Künstler sowie Gestalterinnen und Gestalter sehr deutlich. Ich hoffe, dass wir im Frühling wieder vermehrt die Möglichkeit haben, uns draussen zu treffen – auch Outdoor-Formate können eine Option des Austausches sein.

Sie verfügen über ein sehr gutes internationales Netzwerk. Was bedeutet dies für den Standort Münchenstein?

Die Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW beschäftigt sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen und ist sehr forschungsaktiv. Sie spielt in Basel und der Nordwestschweiz sowie darüber hinaus eine wichtige Rolle in der Kunst- und Designszene. Mir ist wichtig, wie wir durch Kunst und Design die Gesellschaft gestalten können und dies erfordert natürlich einen Austausch aber auch eine Sichtbarkeit in die Gesellschaft hinein. Ich komme vom Bauhaus und kenne die Thematik des regional Verankerten mit einer gleich­zeitigen internationalen Verknüpfung. Dafür möchte ich mich auch in Basel ­engagieren.

Sie wirken sehr positiv. Basel scheint Ihnen trotz «Corona» gut zu tun. Was steht ganz oben auf Ihrer persönlichen To-do-Liste?

Basel ist super! Wir fühlen uns auch als Familie sehr wohl hier. Kulturell hätten wir gerne noch mehr entdeckt aber leider sind ja wegen Covid-19 die Museen zu und viele Kulturevents wurden verschoben. Das werden wir nachholen. Aber im Sommer waren wir oft schwimmen – auch im Rhein – und haben die Umgebung erkundet und so auch den wunderbaren Park Ermitage in Arlesheim entdeckt.

 

Zur Person

Prof. Dr. Claudia Perren studierte Architektur an der Kunsthoch­schule Berlin Weissensee und Cooper Union New York, absol­vierte an der ETH Zürich ein MAS-­Studium in Geschichte und Theorie der Architektur und erlangte 2005 ihre Promotion in Architektur- und Kunsttheorie an der Universität Kassel. Danach lehrte sie in den Fachbereichen Architektur, Design und Städtebau an der University of Sydney sowie an der University of Technologie in Sydney. Ab 2014 war Claudia Perren Direktorin und Vorstand der Stiftung Bauhaus, Dessau. Seit 1. August 2020 ist sie Direktorin der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Münchenstein/ Basel.

openhouse.hgk.fhnw.ch

www.fhnw.ch/hgk

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