«Unsere Beziehungsebene wurde gekappt»

Im Gegensatz zur ersten Welle darf das Jugendhaus als soziale Institution aktuell geöffnet haben. Die Jugendarbeit hat sich in Zeiten von Corona aber stark verändert und stösst an Grenzen.

Sind für die Jugendlichen da (v.l.): Azubi Babli Müller, Co-Leiterin Tanja Kettner, Co-Leiter Cyril Rindlisbacher und Altair Koechlin, hier im Sommer 2020. Bild: ZVG
Sind für die Jugendlichen da (v.l.): Azubi Babli Müller, Co-Leiterin Tanja Kettner, Co-Leiter Cyril Rindlisbacher und Altair Koechlin, hier im Sommer 2020. Bild: ZVG

Im gleichen Atemzug genannt wie Wellnesszentren, Saunen und Erotikbetriebe mussten Jugendtreffs in der ersten Corona-Welle vor knapp einem Jahr schliessen. Während seit Montag das Leben vielerorts wieder stillsteht, dürfen Jugendtreffs in der zweiten Corona-Welle aber offen haben. Sie gelten jetzt als soziale Institution mit besonderer Bedeutung.

Cyril Rindlisbacher, Co-Leiter der Jugendarbeit Münchenstein, ist darüber erleichtert. Denn Jugendarbeit über digitale Kanäle könne nur beschränkt funktionieren. «Im März wurde unsere Beziehungsebene abrupt gekappt. Wir mussten die Beziehungsebene auf diese neue andere Art erst aufbauen.»

Per Videokonferenz Schoko-Osterhasen backen, für die das «Jugi»-Team die Zutaten in die Briefkästen der Jugendlichen verteilte, das aufgegleiste Filmprojekt über Whatsapp weiterführen oder einfach mal auf Zoom zwanglos quatschen – auch für die junge Generation war auf einmal alles anders. «Sie waren und sind noch immer in einer Lebensphase isoliert, in der das soziale Miteinander so wichtig ist», erinnert Rindlis­bacher. Gerade für solche, die im Frühjahr eine Lehrstelle suchen mussten, eröffneten sich unerwartete Probleme. «Wir konnten in Zeiten, in denen sie uns am meisten gebraucht hätten, nicht für sie da sein.»

Probleme, wo vorher keine waren

Zurzeit ist der offene Treff der Jugendarbeit bei der Tramstation im Dorf mit reduzierten Öffnungszeiten und Schutzkonzept geöffnet. Die Jugendlichen geniessen das Miteinander und sind auch mal froh, erwachsene Ansprechpersonen ausserhalb von zu Hause und der Schule zu haben. Denn auch sie haben in der aktuellen Situation Fragen und Sorgen, betont Cyril Rindlisbacher. «Probleme zu Hause, wo vorher alles in Ordnung war, sind nicht selten. Kinder sind das schwächste Glied in einer Familie und bekommen Konflikte und Ängste direkt zu spüren.» Obwohl das Jugendhaus wieder geöffnet hat, Normalität herrscht bei der Jugendarbeit Münchenstein aber noch lange nicht. Gewisse digitale Kanäle werden noch immer genutzt. Die gekappte Beziehungsebene klafft nach, verrät Rindlisbacher. «Längst nicht alle Jugendlichen, die vor Corona zu uns kamen, sind wieder da. Wir müssen befürchten, dass wir vereinzelt Jugendliche verloren haben.»

Die Kontakte in die Schulen, die seit Einführung des neuen Konzepts (siehe Box) ein wichtiger Bestandteil der Jugendarbeit darstellen, laufen aktuell nur in beschränktem Masse. Ein spürbarer Teil der Lehrpersonen verzichtet zur Kontaktreduktion auf Speziallektionen und Workshops der Jugendarbeit. Cyril Rindlisbacher hat dafür Verständnis, hofft aber, dass sich die Situation schnellstmöglich entspannt. Denn eine funktionierende Jugendarbeit ist gerade in Krisenzeiten von grösster Bedeutung.

Mehr Kontakte dank neuem Konzept

Mit neuem Team und neuer Vision lancierten Co-Leiter Cyril Rindlisbacher und seine Kolleginnen und Kollegen 2014 ein neues Konzept für die Jugendarbeit Münchenstein. Die Zusammenarbeit mit den Schulen wurde intensiviert, die Projektarbeit ausgebaut – die Jugendarbeit wurde insgesamt vernetzter. Beliefen sich die Kontakte zu den Jugendlichen zuvor vorwiegend auf das Jugendhaus, finden diese heute auch ausserhalb statt. Dadurch können mehr Jugendliche von der Jugendarbeit profitieren. «Früher hatten wir 100 bis 150 regelmässige Besucherinnen und Besucher und somit Kontakte. Heute sind es über tausend Schülerinnen und Schüler, die wissen, wer wir sind und wo sie uns finden können», erklärt Cyril Rindlisbacher. Weitere Infos unter: www.jugendarbeit.mstein.ch

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