Vom Machtsymbol zum günstigen Steinbruch

Auf einem schmalen Grat hoch über dem Dorf thronte im Mittelalter eine imposante Burg. Heute gibt es nur noch die spärlichen Reste zu erkunden.

Viel ist nicht mehr übrig: Von der einst grossen Burg oberhalb Münchensteins zeugen heute nur noch Mauerreste.  Foto: Fabia Maieroni
Viel ist nicht mehr übrig: Von der einst grossen Burg oberhalb Münchensteins zeugen heute nur noch Mauerreste. Foto: Fabia Maieroni

Trutzig stehen sie da, die steinernen Reste der einst grossen Burg oberhalb von Münchenstein. Steil geht es von der Trotte im alten Dorfkern aus den Hang hinauf zu jenem 100 Meter langen, schmalen Grat, auf dem die mittelalterliche Burg wohl irgendwann zwischen 1270 und 1276 von der Basler Familie Münch erbaut worden war. Zumindest lässt der Namenswechsel des Dorfes unterhalb der Burg auf diesen Erbauungszeitraum schliessen. Denn das Dorf taucht im 12. und 13. Jahrhundert in diversen Urkunden noch unter dem Namen «Geckingen» auf; 1279 kommt zum ersten Mal der Name «Münchenstein» in einer Urkunde vor. Ritter Hugo III. Münch wird zugeschrieben, die Burg errichtet zu haben. Er gilt auch als Stammvater der Familie Münch von Münchenstein. Das Basler Geschlecht besass im 13. Jahrhundert etliche Burgen in der Region und zählte zu den Gefolgsleuten des Bischofs von Basel.

Die Oberburg in Münchenstein war mit zwei Rundtürmen, einem Palas – auch Ritterhaus genannt –, einem Hof und einem weiteren Wohntrakt ausgestattet. Vier Stockwerke wies das Bauwerk auf – auch ein Gefängnis und ein Ökonomiegebäude fanden auf dem schmalen Felsen Platz.

Die Burg sei sicher bewohnt gewesen, weiss Dölf Brodbeck, der für die Kulturkommission der Bürgergemeinde Münchenstein Führungen auf dem Schlossfelsen anbietet. Allerdings hielten sich wohl nur sehr wenige Menschen dauerhaft auf der Burg auf. «Man weiss aus anderen Regionen, dass sich zu Friedenszeiten immer nur eine Handvoll Menschen auf einer Burg aufhielten. Anders zu Kriegszeiten – da konnten sich mehrere hundert Soldaten hinter den dicken Mauern verschanzen», sagt Brodbeck. Mit einbezogen in den Komplex wurde ab der Mitte des 15. Jahrhunderts wohl auch das Dorf Münchenstein: Es diente als «Vorburg», war ummauert und galt als Sperre der Strasse auf dem rechten Ufer des Birstals.


Familie Münch kann Burg nicht halten
«1470 musste die mittlerweile verschuldete Familie Münch die Burg sowie die frisch erbaute Trotte im Dorf an die Stadt Basel verpfänden», erklärt Dölf Brodbeck hoch oben auf der Burgmauer. Der weite Ausblick von der Burgmauer erlaubte es den Burgherren, ihre Umgebung zu kontrollieren und mögliche Gefahren rasch auszumachen. Das Pfand konnte die Familie Münch nie mehr einlösen; sie verkaufte ihre Pfandrechte 1515 an die Stadt Basel. Über 270 Jahre lang war Münchenstein eine Vogtei von Basel, und von hier aus wurden die reformierten Dörfer rund um Basel verwaltet. 1798 wurde die Vogtei Münchenstein aufgelöst und die Burg für 24 000 Pfund an 23 Bürger Münchensteins versteigert.


Steinbruch für das Dorf
Im 19. Jahrhundert wurde die Burg als Steinbruch zum Bau von Häusern im Dorf gebraucht. «Die Schweiz gehörte im 19. Jahrhundert zum Armenhaus Europas, Baumaterialien waren teuer und die Wohnungsnot gross», weiss Brodbeck, dessen Vorfahre einer jener 23 Bürger war, die das Schlossgut erstanden hatten. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts waren grosse Teile der Burg abgebaut und für den Hausbau im Dorf verwendet worden. «In einem der Häuser im Dorfkern wurde eine alte Holztreppe verbaut, die vermutlich aus der Burg stammt», verrät Brodbeck. «Doch beweisen kann man das natürlich nicht mehr.» Ein kleiner Teil der Burg steht heute noch, da bei weiteren Sprengungen das Risiko bestanden hätte, dass die Steinblöcke in das Dorf hinunterdonnern. In den 1970er-Jahren erwarb die Gemeinde schliesslich den übrigen Rest der Kernburg. 22 Jahre später begann ein Teil der Mauern plötzlich Richtung Dorf zu rutschen. Die Burg wurde daraufhin archäologisch untersucht und der Aufstieg ausgegraben. Die einstige Kippbrücke, die im Falle eines Angriffes den Gegner in eine Schlucht hätte fallen lassen, wurde mit einer Stahltreppe imitiert.

Die Ruine ist heute aus Sicherheitsgründen nicht mehr öffentlich zugänglich, kann aber auf einer Führung besichtigt werden. Interessierte können sich bei der Bürgergemeinde unter www.moench.ch/Geschichte für eine Führung anmelden.

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