Gemeinde kauft trotz finanzieller Schwierigkeiten die Helvetia-Häuser

Die Münchensteiner Gemeindeversammlung sagt deutlich Ja zum Kauf von 56 Wohnungen und 60 Autoeinstellhallenplätzen an der Kaspar-Pfeiffer- Strasse und der Jurastrasse.

Gemeinde macht Gebrauch vom Vorkaufsrecht: 20,7 Millionen Franken zahlt sie für die Liegenschaften.

Gemeinde macht Gebrauch vom Vorkaufsrecht: 20,7 Millionen Franken zahlt sie für die Liegenschaften.

Direkt bei der Gartenstadt: die fünf Blöcke mit 56 Wohnungen und 60 Autoeinstellhallenplätzen.  Fotos: ZVG

Direkt bei der Gartenstadt: die fünf Blöcke mit 56 Wohnungen und 60 Autoeinstellhallenplätzen. Fotos: ZVG

Die Gemeinde Münchenstein steigt ins Immobiliengeschäft ein. Dies sei zwar nicht Kernaufgabe der Gemeinde, machte Gemeinderat René Nusch (parteilos) klar, in diesem Fall aber wichtig und richtig. Denn so soll verhindert werden, dass die Liegenschaften unmittelbar neben dem Einkaufszentrum Gartenstadt von einem privaten Investor gekauft und womöglich innerhalb von wenigen Jahren saniert oder ganz neu gebaut und so teurer vermietet würden. Die aktuellen Mieten liegen rund 14 Prozent unter dem Marktpreis, zeigte Nusch auf. «Wir wollen diesen bezahlbaren Wohnraum, von dem es in Stadtnähe nur noch wenig gibt, erhalten.» Miriam Locher (SP) appellierte in ihrem Votum ebenfalls an die sozialpolitische Verantwortung der Gemeinde.
Ein Bewohner der betroffenen Liegenschaften zeigte sich erfreut über das Vorhaben des Gemeinderats und versicherte, dass die Wohnungen in einem «relativ guten Zustand» seien. «Ein Investor könnte damit gut Geld machen.» Es sei wichtig, so der Bewohner, dass auch weniger gut Verdienende und Ältere sicher leben könnten und nicht dem blossen Renditedenken ausgeliefert seien.


Mehr Einnahmen für die Gemeinde
Die Liegenschaftsverwaltung gibt die Gemeinde in externe Hände. Für die 56 Wohnungen und 60 Autoeinstellhallenplätze zahlt die Gemeinde der Helvetia AG 20,7 Millionen Franken. Die Versicherung will die Liegenschaften verkaufen, obwohl der Baurechtsvertrag noch bis 2080 gültig wäre. Als Baurechtgeberin des Grundstücks hat die Gemeinde ein Vorkaufsrecht, von dem sie jetzt Gebrauch macht. Der Kaufpreis liegt knapp drei Millionen Franken über dem von Experten errechneten Verkehrswert. Die Gemeinde konnte nicht selber mit der Helvetia AG verhandeln, sondern musste in den Vertrag eintreten, den die Versicherung mit dem meistbietenden privaten Investor ausgehandelt hatte. Gemeinderat René Nusch ist überzeugt, dass sich der Kauf langfristig auch wirtschaftlich lohnen wird, da die Mieteinnahmen höher ausfallen als der Baurechtszins, den die Gemeinde jährlich von der Helvetia AG erhalten hat.


Keine Abschreibungen nötig
Neben dem Erhalt von bezahlbarem Wohnraum erhofft sich der Gemeinderat mit dem Liegenschaftskauf auch
einen strategischen Vorteil beim Quartierplanprozess Stöckacker nebenan, der aufgrund divergierender Interessen der Grundeigentümer stockt. Die Gemeinde erhöht ihren Flächenanteil am betreffenden Perimeter von heute 8 auf neu 35 Prozent und hätte zusammen mit zwei anderen Grundeigentümern ein Quorum, durch das sie den Quartierplanprozess vorantreiben könnte. Kritik am Liegenschaftskauf gab es nur wenig. Dominic Degen (FDP) und Stefan Haydn (SVP) prangerten das finanzielle Risiko des Kaufs an und erinnerten daran, dass das Immobiliengeschäft nicht zu den Kernaufgaben einer Gemeinde gehöre. Finanzchef Andreas Knörzer (GLP) beruhigte. Die Gemeinde könne sich den Kauf trotz Schuldenlast leisten, weil die Liegenschaften ins Finanzvermögen kämen und nicht wie andere Investitionen abgeschrieben werden müssten. Die Versammlung stimmte dem Kauf mit grossem Mehr zu.


Massiv weniger Steuereinnahmen
Der Entscheid zum Häuserkauf fiel im Nachgang zur Vorstellung der Jahresrechnung 2019. Bei Gesamtausgaben von 61 Millionen Franken resultierte im vergangenen Jahr ein Verlust von knapp 1,6 Millionen Franken. Budgetiert war ein Verlust von knapp 1,5 Millionen Franken. Ins Auge schiesst der im Vergleich zum Budget um 4 Millionen Franken tiefer ausgefallenen Fiskalertrag. Bei den natürlichen Personen waren die Steuereinnahmen 2,4 Millionen Franken tiefer als veranschlagt, bei den juristischen Personen um 1,5 Millionen Franken.

Das Jahresergebnis fiel vor allem aufgrund von Aufwertungen von gemeindeeigenen Liegenschaften nicht noch schlechter aus. Zwar weise die Gemeinde pro Einwohnerin und Einwohner gemäss Gemeinderat Andreas Knörzer noch immer ein Nettovermögen aus, die Selbstfinanzierung sei aber nach wie vor eine «Herausforderung». Die Parteien mahnten aufgrund der roten Zahlen zur Vorsicht. «Es braucht Gegenmassnahmen, um langfristig eine schwarze Null zu erreichen», forderte der FDP-Sprecher.

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