Das Italien der Schweizer

Eine Woche lang verzaubern Pelati Delicati das neuestheater.ch mit sprühender Italianità und liebevoller Kritik an der Schweiz.

Mit Secondofahne und Vespa: Andrea Bettini (r.) und Basso Salerno (l.) sind Pelati Delicati. Foto: ZVG
Mit Secondofahne und Vespa: Andrea Bettini (r.) und Basso Salerno (l.) sind Pelati Delicati. Foto: ZVG

Das Programm der beiden Komiker gibt einen Einblick in die Erfahrungswelt von Secondos in der Schweiz – und verrät viel über ihr Italienbild. Dreissig Jahre ist es her, seit in der Schweiz der Begriff «Secondo» aufkam, seit zehn Jahren gibt es Pelati Delicati, das ungleiche Duo von Andrea Bettini und Basso Salerno, dem Norditaliener aus Zürich und dem Süditaliener aus Langenthal im Kanton Bern. Wie aktuell ihr Programm «Finalmente Secondo – endlich Zweiter» ist, zeigte sich vergangene Woche im neuestheater.ch Dornach: Das Publikum war durchmischter als sonst, jünger, und man hatte den Eindruck, dass nicht wenige im voll besetzten Saal selbst Secondos waren: Schweizer mit italienischen Wurzeln. Ihnen verkauften Pelati Delicati gleich eine eigene Fahne: das Schweizer Kreuz auf die italienische Trikolore genäht. Sie sei das Symbol einer neuen, von den Secondos mit aufgebauten Schweiz, so erklärte Bettini. Sie kostete 30 Franken.

Von der Bühne schlug dem Publikum geballte Italianità entgegen, sonnenreif und testosterongeladen, leidenschaftlich und lamentierend, herzlich und liebevoll. Die rote Vespa fehlte ebenso wenig wie das Panino, Adriano Celentano und «Bella ciao». Nach der Vorführung gab es in der Café-Bar Spaghetti für alle, die Künstler gesellten sich dazu. Urschweizerisch war hingegen das Bild, das der in Zürich-Höngg aufgewachsene und mit der Zürcher «Bewegung» der Achtzigerjahre gross gewordene Bettini von der Schweiz zeichnete: Sie ist ihm das Land, in dem man immer fürchtet, dass «da ja jeder kommen könnte», das Land der «schweizerisch demokratischen Mittelbandbreite», immer etwas zu klein und zu eng für die grosse, leidenschaftliche italienische Seele.


«Non è stato aifach»

Stark sind Pelati Delicati immer dann, wenn sie vom eigenen Leben erzählen. Das Schicksal eines kleinen Italienerbuben im zwinglianischen Zürich-Höngg der Sechzigerjahre ist herzerweichend, die Geschichten von den kleinen Gemeinheiten der Einheimischen den ungeliebten Gastarbeitern gegenüber gehen unter die Haut. «Non è stato aifach» – es war nicht leicht, wiederholt Bettini immer wieder, und darin liegt auch Bewunderung für die Lebensleistung der ersten Einwanderergeneration. Man ahnt auch, wie es heute Migrantenkindern geht, die nicht aus dem Nachbarland kommen, sondern aus Failed States, die wirklich weit weg sind, die wirklich eine andere Kultur haben – Somalia oder Afghanistan. So gelingt es Bettini und Salerno, Verständnis zu schaffen: für die Eingewanderten, für die Schweizer, für die Kinder, die beides sind.

Seine Schwächen hat das Programm dort, wo es ins Klischee abdriftet. Hier die verschlossenen, eingeigelten Schweizer, dort das weltoffene Italien, in dem eben «jeder kommen kann» – das hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack in einer Zeit, in der gerade dieses Italien seine Häfen schliesst und Seenotretter ins Gefängnis schickt. Nein, auch in Italien hat man längst Angst davor, dass «da jeder kommen könnte». Doch es sind Schwächen, die man Pelati Delicati gerne nachsieht, weil sie zeigen, was das Italien der zweiten Generation eben auch ist: ein Sehnsuchtsort jenseits der Alpen, in dem dieSonne immer scheint und der Himmel so blau ist wie in Adriano Celentanos «Azzurro», das Land der Sommerferien bei der Nonna, des ewigen Ferragosto. Italien, wie wir Schweizer es uns eben gerne vorstellen.
 
Am Freitag, 24. Mai, und am Donnerstag, 28. Mai, sind Pelati Delicati noch einmal im neuestheater.ch zu sehen. Für die Vorstellung «Svissenesse» am 24. Mai verlost das neuestheater.ch zwei Tickets. Interessierte melden sich bis Freitag, 12.00 Uhr, per E-Mail an <link mail>redaktion.arlesheim@wochenblatt.ch. Die Tickets liegen dann an der Abendkasse bereit.

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