Liebenswerte Lächerlichkeit

Neuestheater.ch zeigt die Schweizer Erstaufführung von Hanoch Levins Schauspiel «Popoch – Die Arbeit des Lebens». Georg Darvas führte Regie, Matthias Naumann Dramaturgie. Premiere war am Dienstag.

Kammerspiel: Der nächtliche Ruhestörer Gunkel (Urs Bihler, l.) bei Jona (Daniel Hajdu) und Leviva Popoch (Naomi Krauss). Foto: ZVG/Lucia Hunziker
Kammerspiel: Der nächtliche Ruhestörer Gunkel (Urs Bihler, l.) bei Jona (Daniel Hajdu) und Leviva Popoch (Naomi Krauss). Foto: ZVG/Lucia Hunziker

Das Theater Orchester Biel Solothurn (TOBS) hat sich zusammen mit neuestheater.ch des Stücks «Popoch – Die Arbeit des Lebens» von 1980 angenommen. In ihm wird ein Ehepaar gezeigt, das den Zenit des Lebensalters und der Beziehung überschritten hat. Jona Popoch erwartet noch mehr vom Leben als eine routinemässige Ehe mit Leviva. Er möchte aus der Ehe aussteigen. Sein erster Satz lautet: «Ich bin ein verlorener Mann», und später: «Irgendwo geschieht das Leben, aber ich komme nicht darin vor». Bei beiden Ehepartnern geht es um Hoffen und Bangen angesichts eines vielleicht verpassten Lebens. Die Handlung oszilliert zwischen Drohung, Hoffnung und Lächerlichkeit.

Dennoch ist das Stück kein Ehedrama im herkömmlichen Sinne, sondern ein existenzielles Stück, ein grosses Kammerstück für drei Personen. Als Jona zum Koffer greift, klopft morgens um drei der alte Nachbar Gunkel an die Tür, die gar nicht vorhanden ist. Auf surreale Weise betritt der bärbeissige alte Gunkel die Bühne. Es ist eine Paraderolle für Urs Bihler. Was wird nun geschehen? Wenn kleine Leute grosse Probleme hätten, ergebe sich daraus immer etwas Witziges, sagt Georg Darvas. Es fliesse etwas vom Geschmack des «jüdischen Witzes» ein, der neben dem Lachen stets auch einen bitteren Beigeschmack habe.

Beklemmend-humorvoll

Das nächtliche Kammerspiel, das sich auf einem azurnen Kreis abspielt, auf dem eine Schlafzimmergarnitur aus gemasertem Holz steht, wirkt suggestiv. Die Szenerie wird in einem schief hängenden Spiegel am Bühnenhimmel noch verdoppelt. Valentin Köhler hat sich hier ein perfektes Bühnenbild ausgedacht. Jona Popoch (Daniel Hajdu) ist der unausstehliche Ehemann, der Leviva (Naomi Krauss), seine Ehefrau, mit übelsten Schimpfwörtern eindeckt, später aber immer wieder in sentimentale Gefühle umkippt. Für den Zuschauer gibt es nie einen festen Boden, weil die Stimmung des Ehepaars in jedem Augenblick wieder umkippen kann. Daniel Hajdu und Naomi Krauss sind ihren Rollen jederzeit gewachsen. Sie spielen keine Gefühle, sondern verkörpern sie mit ihrer ganzen Präsenz. Und so geht das Stück an die Nieren. Doch als Zuschauer identifiziert man sich nie ganz mit einer Figur, weil die Lieder der Popochs eine Distanzierung ermöglichen. Komposition und Piano übernahm in stimmiger Weise Rani Orenstein. Letztlich merkt das Publikum, dass der Ehestreit nur ein Vorwand für eine tiefere Dimension des Fragens ist: Was ist der Sinn des Lebens? Warum müssen wir sterben?

Vorbildliche Inszenierung

Der grossartige Text von Levin wurde von Georg Darvas und Matthias Naumann in eine hervorragende, bis am Schluss spannend bleibende Inszenierung übertragen. Hanoch Levin (1943– 1999) war der wichtigste israelische Dramatiker des 20. Jahrhunderts. In Europa ist man erst daran, ihn zu entdecken. Georg Darvas wird den bedeutendsten israelischen Theaterautor im Rahmen von «Literatur im Foyer, Hanoch Levin und sein Leben und Werk» vorstellen am Mittwoch, 20. Februar, um 19.30 Uhr.

Tickets gewinnen

Das Wochenblatt verlost für die Vorstellung vom Sonntag, 17. Februar, um 18 Uhr 2 × 2 Tickets. Einfach eine E-Mail an <link>wettbewerb@wochenblatt.ch mit dem Stichwort «Popoch» senden. Einsendeschluss ist der Freitag, 15. Februar, 14 Uhr. Viel Glück!

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