Futurist skizziert die Welt von morgen

Gerd Leonhard aus Arlesheim gehört zu den führenden Medienfuturisten der Welt. Das «Wochenblatt» hat ihn gefragt, was die Zukunft bringt.

Gefragter Redner: Der in Arlesheim wohnhafte Futurist Gerd Leonhard absolvierte seit 2002 Auftritte vor 250 000 Führungskräften und Fachleuten in über 54 Ländern.  Foto: ZVG
Gefragter Redner: Der in Arlesheim wohnhafte Futurist Gerd Leonhard absolvierte seit 2002 Auftritte vor 250 000 Führungskräften und Fachleuten in über 54 Ländern. Foto: ZVG

Gerd Leonhard ist ein jovialer Zeitgenosse, der gerne Auskunft gibt. Staunend erfährt man, dass er zuerst in Bonn Theologie studierte, bevor er 1985 an die Berklee School of Musik in Boston ging, um dort mit dem «Quincy Jones Award» ausgezeichnet zu werden. Danach war er als Profi-Gitarrist, Komponist und Produzent erfolgreich, bevor er in die Internetbranche ging und eine eigene Online-Plattform mit über 100 Angestellten auf die Beine stellte. Da er die Zukunft des Musikmarkts offenbar gut vorausgesagt hatte, festigte sich sein Ruf als Prophet der technologischen Entwicklung. Heute hat Leonhard seine internationale Zukunftsagentur «The Futures Agency», ein globales Netzwerk mit 27 bekannten Futuristen.


Die fünf allgemeinen Haupttrends

«Der Futurist versteht sich nicht als Forscher», sagt Gerd Leonhard, «eher als intuitiver Visionär, der einen Zeitraum von zwei bis sieben Jahren vorwegzunehmen versucht.» Da die Zukunft immer schneller werde, sei es auch für kleine und mittelgrosse Unternehmen wichtig, die Trends kennen.
Generell sieht er fünf Haupttrends. Erstens die zunehmende radikale Vernetzung, die globales Denken nach sich ziehe und gegenseitige Abhängigkeiten schaffe. «Meine Prognose für 2020 bis 2030: Die Vereinigten Staaten von Europa.» Für die Schweiz bestehe hier eine Chance, Leadership zu übernehmen. Totale Unabhängigkeit sei für die Schweiz nicht realistisch. Zweiter Haupttrend: die digitale Transformation. Alles, was früher analog und physisch war, wird digital. «Daten sind das neue Öl», so Leonhard. «Dagegen wird alles, was nicht digitalisiert werden kann – Natur, Kunst usw. – noch teurer. Hier liesse sich in der Schweiz wesentlicher Mehrwert schaffen. Dritter Haupttrend: der Luxus des Offline-Seins, die «Erfahrungskultur». Vierter Haupttrend: radikaler Wandel der Ethik («digitale Ethik»). Die Frage, was Maschinen dürfen, werde sich immer dringender stellen. Das «genetic engeneering» und die Pharmatechnologie, die mit der Nanotechnologie konvergiert, stellen für Leonhard gerade in der Schweiz eine grosse Herausforderung dar. Der fünfte Haupttrend betrifft den Bereich Arbeit. Bis in fünf bis acht Jahren würden standardisierte Jobs von Maschinen und Software übernommen. Die neue Technologie schaffe jedoch neue Dienstleistungsjobs, etwa den Privatsphärenmanager.

Leonhard sieht die Entwicklung in der Schweiz in den nächsten 20 Jahren positiv, danach werde es den Staat dann billiger kommen, ein minimales Grundeinkommen an alle auszuzahlen, da die Arbeitslosigkeit steigen werde.


Trends für die Region


Die Vernetzung betreffend bemängelt Gerd Leonhard die schlechte Verbreitung einer schnellen Breitbandverbindung. «Es ist höchste Zeit für Glasfaserkabel», sagt er. Im Offline-Sein sieht er für die Region eine grosse Chance. Die Region als Kultur- und Naturlandschaft biete eine grosse Chance für den Tourismus, die noch zu wenig genutzt werde. In der Ausbildung plädiert er für mehr Kreativität und Vorstellungskraft. «Wir müssen uns wegbewegen von starren Lehrprogrammen. Das Erfahrungslernen wird wichtiger». Beim Verkehr sieht Leonhard beim Carsharing mittelfristig eine Chance. Schliesslich lasse sich mit «smart meters», digitalen Energiemessern, bis 40 Prozent Energie sparen. Das Birseck und das Dorneck müsse noch mehr als heute Start-up-Firmen fördern, um die wirtschaftlichen Kapazitäten zu nutzen.

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