Drei Leuchttürme fürs Baselbiet

Bei der Verleihung der diesjährigen Kulturpreise in Oltingen wurden mit Gina Haller und Reto Pulfer gleich zwei Künstler ausgezeichnet, die in Arlesheim aufgewachsen sind.

Die Preisträger und die Preisträgerin: (v.l.) Max Küng, Gina Haller und Reto Pulfer. Bild: zVg/Matthias Willi
Die Preisträger und die Preisträgerin: (v.l.) Max Küng, Gina Haller und Reto Pulfer. Bild: zVg/Matthias Willi

«Unfall» und «Feuerwehr» steht auf den Warndreiecken, die an den Oltinger Ortseinfahrten platziert sind. Der Verkehr im lauschigen Baselbieter Dorf will am Mittwochabend gebüschelt werden, schliesslich werden rund 200 Gäste erwartet – immerhin fast die Hälfte der Dorfbevölkerung. Dennoch lenken die Begriffe in die falsche Richtung, denn der Anlass ist mit der Verleihung der Kulturpreise 2022 des Kantons Baselland ein durch und durch freudiger. In Ermangelung der passenden Beschilderung hätte man sich vielleicht mit dem Hinweis «Bauarbeiten» behelfen können, schliesslich feiert man die Errichtung dreier Leuchttürme.

Diese tragen die Namen Gina Haller, Reto Pulfer und Max Küng und zeugen in ihren jeweiligen Kunstrichtungen weit über die Region hinaus vom reichhaltigen und hochstehenden Kulturleben des Land­kantons, wie Regierungsrätin Monica Gschwind bei ihrer ­Ansprache in der Oltinger Mehrzweckhalle betonte.

Wie vielgesichtig das kulturelle Schaffen ist, zeigt sich bei den eingespielten Videoporträts und – noch deutlicher – bei den Dankesreden der drei Ausgezeichneten: Der Künstler Reto Pulfer vermengt in seinen meist grossformatigen Werken und Performances viele Kunstrichtungen. In der Laudatio fallen Begriffe wie «ganzheitlich», «spartenübergreifend» und «Allround-Künstler». Doch ein Mann der grossen Worte ist der 41-Jährige nicht. Lächelnd nimmt er die mit 20000 Franken dotierte Auszeichnung und das Blumenbouquet entgegen, tritt etwas zögerlich ans Rednerpult und lässt dann einen gellenden Jauchzer und ein leise nachgeschobenes «Danke» ertönen, ehe er sich unter Beifall wieder auf seinen Platz begibt.

Im «weissen Arlesheim» oft «ungesehen»

Wortreicher bedankt sich Gina Haller, die, wie Pulfer, in Arlesheim aufgewachsen und von dort noch vor dem Erreichen der Volljährigkeit in die weite Welt aufgebrochen ist. Die 35-jährige Schauspielerin, die seit vier Jahren dem Ensemble des Schauspielhauses Bochum ­angehört, hat ihre Rede auf Schriftdeutsch vorbereitet. «Ich kann mich so besser ausdrücken, wenn es ernst wird», sagt sie. Und es wird ernst, denn ­Haller macht keinen Hehl aus der Ambivalenz, die sie zu ihrem Geburtsort empfindet. Sie habe sich im «weissen Arlesheim» als Person of Color oft «unge­sehen» gefühlt, umso mehr stimme sie diese Anerkennung nun versöhnlich: «Danke für diesen Anschub auf meiner weiteren Reise.» Einen Hänger hat Haller, als sie ­ihrer Familie dankt, ins­besondere der Mutter, die bei der Preisverleihung leider nicht ­dabei sein könne. Sie sei, entschuldigt sie sich für das kurze Stocken, zwei Tage vor der frohen Kunde über den unerwarteten Kulturpreis verstorben. So ergreifend der Auftritt Hallers ist, so erfrischend jener von Pulfer – so klug ist die Entscheidung, Max Küng als letzten Preisträger dieses Jahrgangs auf die Bühne zu bitten.

Der Kolumnist und Autor hat den Vorteil, dass er sich in der ihm angestammten Kunstform an die anwesenden Gäste wenden kann. Und so gerät seine Dankesrede zur Glosse über ein Velo aus ­Titan, das er sich vor drei Jahren in Basel gekauft habe – «pünktlich zur Midlife-Crisis und mit dem Preisgeld, von dem ich damals noch nichts wissen konnte». Die anschliessende Radtour von Basel vorbei am Heimatort Maisprach nach Zürich, wo Küng seit bald 20 Jahren lebt, gerät zum Trip durch Küngs Kindheit. Dass er seinen Geburtsort damals eigentlich nur «gestreift» habe, gibt er im Gespräch vor der Verleihung zu. Doch dank der leichten Anpassung ist Küngs kurzweilige Dankesrede stark vom Baselbiet geprägt. So viel ­literarische Freiheit muss sein. Angesichts der reichhaltigen Verpflegung – im Vorfeld der Preisverleihung konnte man an liebevoll gestalteten Stationen in ganz Oltingen Speisen und vor allem Getränke geniessen – bereue er es, mit dem Auto statt mit dem Velo angereist zu sein, sagt Küng beim gemeinsamen Gang durch das Dorf.

Und wahrlich: Oltingen präsentiert sich an diesem Mittwoch von seiner gastfreundlichsten Seite. Wobei mit Ringeltanz, Trachtenmode und Jodlerklub die traditionellen und folkloristischen Aspekte ­etwas überstark hervorgehoben sind. Umso augen- (oder ohren-)fälliger ist, dass unter den Ausgezeichneten niemand mehr reines Baseldeutsch spricht: Max Küng ist längst ins Züridütsch gewechselt, und bei Gina Haller und Reto Pulfer haben sich hochdeutsche Ausdrücke eingeschlichen. Ein Indiz dafür, dass das Baselbieter Kulturschaffen weit über die Region hinaus trägt.

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