«Es braucht auch bei der Spitex Vergleichsofferten»

Im Interview mit dem Wochenblatt sprechen Irene Darwich von der Gewerkschaft und Geschäftsführer Pascal Storck von der acura ag über die Situation der Spitex.

«Das erklärte Ziel ist ein Gesamtarbeitsvertrag», sagt Irene Darwich von der Gewerkschaft Syna: Im Gespräch mit Pascal Storck, Geschäftsführer der acura ag, versucht sie, private Spitexanbieter für das Anliegen zu gewinnen. Foto: Bea Asper
«Das erklärte Ziel ist ein Gesamtarbeitsvertrag», sagt Irene Darwich von der Gewerkschaft Syna: Im Gespräch mit Pascal Storck, Geschäftsführer der acura ag, versucht sie, private Spitexanbieter für das Anliegen zu gewinnen. Foto: Bea Asper

Im Kanton Solothurn ist eine Gesetzesänderung in Gang, die eine Gleichstellung zwischen der öffentlichen und privaten Spitex vorsieht. Die Gemeinden werden zudem angehalten, künftige Leistungsaufträge auszuschreiben. Die Gewerkschaft erhofft sich dadurch eine generelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen im ambulanten Gesundheitssektor, sagt Irene Darwich von der Syna. Die acura ag habe die von der Gewerkschaft kritisierten Punkte durch die Unterzeichnung des Basisvertrages des ASPS, welcher mit der öffentlichen Spitex Basel erarbeitet wurde, schon vor Jahren erfüllt, sagt Geschäftsführer Pascal Storck.

Wochenblatt: Im Thierstein müssen die Mitarbeitenden der acura ag längere Wegstrecken zurücklegen. Werden diese als Arbeitszeit entschädigt?

Pascal Storck: Selbstverständlich werden die Wegzeiten finanziell entschädigt. Alle Mitarbeitenden der acura erhalten pro Weg zwischen zwei Kunden eine fixe Wegzeitentschädigung in Minuten gutgeschrieben. Diese gilt auch, wenn Kunden im gleichen Haus oder in der gleichen Strasse wohnen. Die kumulierten Zeiten werden am Ende des Monats ausgewiesen und mit einem Pauschalpreis pro Stunde abgegolten oder kompensiert.

Wochenblatt: Waren die Wegzeiten auch in Zullwil ein Thema?

Pascal Storck: Ja, wir sind in Zullwil auch darauf angesprochen worden und haben die Arbeitsverträge und Entlöhnung offengelegt – wie wir es bei allen Gemeinden machen, die von uns eine Offerte verlangen für die Vergabe des Leistungsauftrages für die Pflege zu Hause. Wir halten uns ganz klar an die Lohntabelle des Kantons Basel-Stadt. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ist ja sowieso Voraussetzung für die Betriebsbewilligung.

Irene Darwich: Das erklärte Ziel ist ein Gesamtarbeitsvertrag für die Branche – gerade weil es um Aufträge der Öffentlichen Hand geht. Damit könnte erreicht werden, dass bei der Ausschreibung nur Firmen zugelassen sind, die nicht mit unfairen Mitteln die andern ausbooten. Denn in diesem Markt tummeln sich sehr unterschiedliche Anbieter.

Pascal Storck: Vor allem aber darf das 24-Stunden-Geschäft mit Frauen aus Ost-Europa oder dem Balkan nicht mit einem 24-Stunden-Pflege- und Betreuungs-Dienst einer Spitex in Verbindung gebracht werden. Im ersten Fall sind diese Frauen zu Löhnen unter dem in der Schweiz geltenden Mindestlohn im Ausland angestellt. Das Schweizerische Arbeitsrecht wird in keiner Weise eingehalten, d.h. Mindestruhezeiten, Ferien, Pausen, Sozialleistungen etc. gelten für diese nicht und von einer schweizerisch anerkannten Fachausbildung kann keine Rede sein. Wird eine 24-Stunden-Pflege- und Betreuungs-Dienstleistung durch eine akkreditierte Spitex-Organisation wie die acura erbracht, so muss diese alle gesetzlichen Vorschriften einhalten. Eine solche Dienstleistung kostet über 10000 Franken.

Wochenblatt: Der Kanton Solothurn hat eine Gesetzesänderung bezüglich Restfinanzierung eingeleitet. Wie stehen Sie dazu?

Irene Darwich: Die Gesetzesänderung wie sie der Kanton Solothurn für die Restkostenfinanzierung der Pflege zu Hause derzeit diskutiert, ist der Schritt in die richtige Richtung. Voraussetzung für faire Bedingungen bei den privaten Spitexanbietern ist die Gleichstellung, also dass nicht länger nur die öffentlichen Spitexorganisationen Unterstützung geniessen, wie bisher teils durch Defizitgarantien. Allerdings müssten die Vergabekriterien auch an die Arbeitsbedingungen geknüpft werden, indem nur Anbieter den Grundversorgungsauftrag erhalten, die faire Arbeitsbedingungen garantieren.

Pascal Storck: In Basel-Landschaft und Basel-Stadt sind die Spiesse nicht gleich lang, die privaten Spitexanbieter haben es bedeutend schwerer als die öffentlichen. Der Entwicklung im Kanton Solothurn sehen wir deshalb positiv entgegen.

Wochenblatt: Damit wird das Schwarzbubenland für die acura ag noch interessanter. Wird sich der Wettbewerb verschärfen?

Pascal Storck: Der Bedarf nach Spitexleistungen ist zunehmend aufgrund des Grundsatzes «ambulant vor stationär» und dem Wunsch der älteren Bevölkerung, so lange als möglich in den eigenen vier Wänden bleiben zu können, anstatt ins Heim zu wechseln. Wir sind als akkreditierte gemeinnützige Spitex insgesamt vor allem an einer Zusammenarbeit mit Spezialisten interessiert und signalisieren insbesondere auch den öffentlichen Spitexorganisationen immer wieder Gesprächsbereitschaft. In Grindel sind wir seit Jahren mit hoher Zufriedenheit auf allen Ebenen tätig. In Erschwil und Himmelried haben sich die Wogen auch geglättet. Dass die Spitexleistungen, wie in Erschwil öffentlich ausgeschrieben werden, sollte heutzutage dem Verständnis entsprechen, wie auch in allen anderen Bereichen Arbeitsvergaben ausgeschrieben werden und es Konkurrenzofferten gibt. Eine Behörde nimmt ihre Verantwortung gegenüber ihren Bürgern wahr, wenn sie in Zeiten des Spardrucks jede Ausgabe-Positionen der Gemeinde unter die Lupe nimmt. Dass dadurch gewisse Strukturen durchbrochen oder hinterfragt werden, kann mit dem Begriff Wettbewerbsverschärfung in Verbindung gebracht werden.

Wochenblatt: Wie sieht die acura ag ihre Zukunft im Laufental?

Pascal Storck: Wir führen in einigen Gemeinden bereits Einzelaufträge aus, nehmen weitere Anfragen gerne entgegen und reichen interessierten Gemeinden auf ihre Anfrage jederzeit eine auf sie zugeschnittene Offerte ein. Letztlich kann aber jede Kundin oder jeder Kunde selbst entscheiden, von wem er sich ambulant pflegen lassen will.

Weitere Artikel zu «Thierstein», die sie interessieren könnten

Thierstein24.04.2024

Wohlfühlmusik zum Träumen

Das Jahreskonzert des Musikvereins Konkordia Kleinlützel am letzten Samstag präsentierte unter dem Dirigat von Anja Steiner die Lieblingsstücke des Vereins. Im…
Thierstein17.04.2024

Fulminanter Konzertabend

«Tänze & Arien» war das neugierig machende Motto des Frühlings­konzerts der Brass Band Konkordia Büsserach. Die vorhandenen Erwartungen des Publikums wurden…
Thierstein17.04.2024

Abkehr von der verschärften Regelung

Die Eintrittsregelung für die Eishalle und die Schwimmbäder in Laufen und Breitenbach gibt erneut zu reden.