Die Musik, die alles überlebt hat

Einst pfiff ihr Vater die alten jüdischen Lieder aus Russland Unter den Linden in Berlin. Heute erklingen sie in Rodersdorf und Grellingen, und ab nächster Woche im Tabourettli in Basel: Sascha und David Schönhaus von der Klezmer-Band Bait Jaffe haben aus ihrer bewegenden Familientradition ein ganz eigenes musikalisches Universum geschaffen.

<em>Ganz im Stil der wilden Zwanziger: </em>Sascha Schönhaus, Andreas Wäldele, Niculin Christen und David Schönhaus (v.l.) verbinden alte jüdische Volksmusik mit Jazz.. Foto: zvg
<em>Ganz im Stil der wilden Zwanziger: </em>Sascha Schönhaus, Andreas Wäldele, Niculin Christen und David Schönhaus (v.l.) verbinden alte jüdische Volksmusik mit Jazz.. Foto: zvg

Die Geschichte der Familie Schönhaus könnte ein Lied sein, ein jüdisches, leicht und verspielt und doch abgrundtief traurig. Es spielte im Minsk der Zarenzeit, es klagte auf den Feldern vor Haifa, es swingte im Berlin der wilden Zwanziger, und es erstarb beinahe in den Vernichtungslagern von Majdanek und Pasnik. Doch die Musik hat alles überlebt, es wurde im Leimental im Kinderzimmer gesungen und heute füllt es, gespielt von den Musikern der Klezmerband Bait Jaffe, die Säle der Region.

Die Brüder Sascha und David Schönhaus, zwei ausgebildete Jazzmusiker aus Rodersdorf und Grellingen, beschlossen vor 25 Jahren, eine Klezmerband zu gründen. Klezmer, das ist die Musik der osteuropäischen Juden, ihre Sprache ist jiddisch, ein eigenartiges Gemisch von elsässischen und hebräischen Ausdrücken, das einst von Strassburg bis St. Petersburg gesprochen wurde. Auch von ihrem Vater Cioma Samson Schönhaus. Dessen Eltern hatten sich 1906 in Minsk im damaligen russischen Zarenreich kennen gelernt. 1917 flohen sie vor der Zerstörungswut der kommunistischen Revolutionäre nach Berlin. Es war der Beginn einer Reise, die eine Generation lang dauern und mit dem Tod der meisten Familienmitglieder enden sollte.

Nur die Lieder blieben

1926 wanderte die Familie in das damals von Grossbritannien kontrollierte Haifa aus, um dort als Pioniere und Landarbeiter zu arbeiten. Doch der kleine Cioma wurde so krank, dass die Familie nach Berlin zurückkehrte, wo der Aufstieg der Nazis bevorstand. Fast die ganze Familie wurde im Holocaust von den Deutschen ermordet, nur Cioma Schönhaus gelang die Flucht. Auf dem Fahrrad gelangte er nach Basel, wo er seine jüdische Herkunft lange Zeit verschwieg: Er hatte gelernt, wie gefährlich es werden kann, wenn man einfach nur Jude ist.

Nur die Lieder gingen nicht aus seinem Kopf, er sang sie auf Sonntagsspaziergängen und zu Hause, und als seine Söhne Sascha und David ihre Ausbildung zu Jazzmusikern absovierten, wurde ihnen bewusst, wie sehr der Klezmer sie bereits ein Leben lang geprägt hatte. Sie riefen eine Band ins Leben, und fortan begeisterten die Takte aus Cioma Schönhaus’ Erinnerung die Klezmerwelt.

Ein Vierteljahrhundert ist es nun her, und Bait Jaffe stehen noch immer auf den Bühnen. Ihre Musik ist vielseitiger geworden, Jazz und Klezmer haben sich durchdrungen, etwas Neues ist entstanden: «Wir wollen keine Museumsband sein», sagt Sascha, der die Songs schreibt und zusammen mit seinem Bruder David, Andreas Wäldele und Niculin Christen zum Klingen bringt.

Wer kann, hat nun die Möglichkeit, selbst in den Strom der Tradition einzutauchen. Zu ihrem 25-Jahr-Jubiläum veröffentlichen Bait Jaffe ein Buch, in dem die schönsten Jaffe-Lieder in handgeschriebenen Noten samt jiddischem Text notiert sind, unterbrochen von zahlreichen literarischen Beiträgen von Freunden, Bekannten und Familienmitgliedern. Darunter sind so prominente Namen wie Kurt Aeschbacher und die Epstein Brothers.

Tradition sei nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers, zitiert Sascha Neuhaus Gustav Mahler. Die vier Klezmer haben es in all den Jahren nicht verloren, und wer noch Feuer fangen will, kann dies an der Vernissage tun: Am 21. Oktober um 17.00 Uhr im Tabourettli in Basel oder an den Konzerten vom 24. bis 28. Oktober jeweils um 20. Uhr (Sonntag 17.00 Uhr) ebendort. Der Vorverkauf findet auf www.fauteuil.ch statt.