Der Geschichten-Sammler
Ulrich Ritzel ist mehr Verdichter als Dichter. Er sammelt Geschichten und politische Zusammenhänge, stellt sie neu zusammen und verdichtet sie. Seinen Werken gibt der Laufner Autor die äussere Gestalt von Krimis, die aber die ausgetretenen Pfade meiden.
Ulrich Ritzels Bücher tun nur so, als wären sie Krimis. Denn eigentlich sind sie verkappte politische Aussagen. Darüber können auch die Krimi-Preise nicht hinwegtäuschen, die seinen Werken verliehen worden sind. So wie auch Ulrich Ritzel ein äusserst politischer Mensch ist. Noch bevor wir es uns für das Gespräch in seinem Garten in Laufen gemütlich machen können, stecken wir inmitten der Grauen der Nazizeit.
Ulrich Ritzel: Sie haben mein letztes Buch «Nadjas Katze» nicht gelesen, weil es von der Nazizeit handelt? Tja, Kriminalromane handeln fast immer von einer Vergangenheit, die nicht vergehen will. Für mich sind Drittes Reich und Kriegsende typische Beispiele dafür.
Wochenblatt: Wieso lässt Sie das nicht los?
Ich bin 1940 in Süddeutschland geboren. Meine Erinnerungen an das Kriegsende haben sich bei mir fest eingebrannt. Aber sie geben allenfalls wieder, was ein Vierjähriger damals zu sehen und zu verstehen geglaubt hat. Wie war es also wirklich? Vielleicht ist meine Grundhaltung als Autor auch durch eine persönliche Enttäuschung geprägt. Mein Vater war deutscher Soldat und beim Russlandfeldzug dabei gewesen. Als ich 17 Jahre alt war, fand in Ulm der erste Einsatzgruppen-Prozess statt (AdR: siehe Kasten). Diese Einsatzgruppen waren Mordkommandos. Wenn die deutsche Wehrmacht in Russland ein Dorf oder eine Stadt erobert hatte, kamen am nächsten Tag oder kurz darauf die Leute der Einsatzgruppen und erschossen die jüdischen Männer, Frauen, Kinder — ausnahmslos alle. Als ich nun in der Zeitung einen übrigens sehr kurz gehaltenen Prozessbericht las, bat ich meinen Vater, mir zu erklären, wie das unter den Augen der Wehrmacht hatte geschehen können. «Weisst du, im Krieg passieren schreckliche Dinge», sagte er und reichte mir verlegen die Zeitung zurück. Von da an glaubte ich ihm kein Wort mehr.
Herr Ritzel, danke für diese offenen Worte. Das ist schwer.
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